Als Ausbildungs- und Schauspielmethode verstanden, steht die körperliche Aneignung der Biomechanik im Zentrum ihrer Vermittlung. In Verbindung mit der Erörterung ihrer theoretischen Aspekte ist die Verkörperung ihrer Prinzipien und deren bewegungsbezogene Analyse essentiell für Analysen der Biomechanik und ihr Verhältnis zur Theaterpraxis Meyerholds.1 Im körperlichen Nachvollzug und Erproben stellen sich so auch Fragen nach Anknüpfungspunkten für eine zeitgenössische Theaterpraxis.

Einen festen und grundlegenden Bestandteil der Zusammenarbeit des Mime Centrum Berlin / Internationalen Theaterinstitut mit dem Schauspieler, Regisseur und Dozenten Gennadij Bogdanow stellen deshalb die seit 1991 in regelmäßigen Abständen stattfindenden Workshops dar. Im Training ist das Erlernen bestimmter, kanonischer Bewegungsabläufe und -sequenzen, welches zur Beherrschung der Etüden führt, stets begleitet von der Ausbildung elementarer Techniken der Körperbeherrschung in Form von Schulungen der Balance sowie von speziell entwickelten Kraft- und Reaktionsübungen.

Das Training, für das oftmals Trainingsobjekte wie Stöcke und Bälle benutzt werden und in dem auch akrobatische Elemente zum Einsatz kommen, lässt eine gewisse Offenheit der Methode in Hinblick auf den Einsatz der Biomechanik auf der Bühne erkennen. So geht es längst nicht (nur) um das Perfektionieren der Etüden, vielmehr steht die systematische und kontrollierte Erweiterung des Bewegungsrepertoires der Schauspieler*innen im Zentrum der Ausbildung. Hierfür sind Abschlusspräsentationen der Workshops aufschlussreich, von denen teilweise Dokumentationen angefertigt wurden. Die umfangreiche Dokumentation der Workshoparbeit bietet außerdem Einblicke in einen über viele Jahre hinweg bedeutenden Teil der Arbeit des ehemaligen Mime Centrum Berlin und zeugt von einer kontinuierlichen körperbezogenen Auseinandersetzung mit der Biomechanik.

Ein erster Workshop mit Gennadij Bogdanow außerhalb Russlands fand im Frühjahr 1991 in Amsterdam statt. Ide van Heiningen, zu dieser Zeit Direktor des Niederländischen Mime Centrums, hatte im Jahr zuvor bei einer Konferenz zur Schauspielausbildung in Moskau Gennadij Bogdanow kennengelernt. Er lud ihn daraufhin für einen Workshop und mehrere öffentliche Veranstaltungen nach Amsterdam ein.

Auf der darauf folgenden ersten Konferenz der gemeinsam vom Niederländischen Mime Centrum, dem Mime Centrum Berlin sowie dem Théâtre du Mouvement gegründeten European Mime Federation im Herbst 1991 war die Biomechanik Meyerholds neben der von Étienne Decroux begründeten mime corporel das zweite zentrale Thema. Thilo Wittenbecher, zu dieser Zeit bereits Leiter des Mime Centrum Berlin, lud Gennadij Bogdanow in der Folge für die Zusammenarbeit nach Berlin ein.

Ein wichtiges Datum in der frühen Phase der Zusammenarbeit markiert der Internationale Workshop zur theatralen Biomechanik in Moskau, der im Januar 1993 an der GITIS in Moskau unter der Leitung von Gennadij Bogdanow und Nikolaij Karpow stattfand.

Seit 1991 veranstaltet das Mime Centrum Berlin (heute Teil des Internationalen Theaterinstituts) regelmäßig Workshops mit Gennadij Bogdanow in Berlin.

Über die Jahre hat sich aus dieser Arbeit ein internationales Netz mit Arbeitsverbindungen in Großbritannien, Italien, Frankreich, Polen, Kanada sowie Brasilien und den USA ergeben, als deren Ergebnis neben regelmäßigen Workshops auch vielgestaltige internationale Inszenierungsarbeiten stehen.2


1 Auf diese Verbindung weist beispielsweise Gennadij Bogdanow in den von ihm entwickelten Demonstrationsvorträgen hin. Mehr Informationen dazu erhalten Sie im Artikel Demonstrationen

2 Eine detaillierte Übersicht über Produktionen, zu denen sich Material in der Mediathek des ITI befindet, finden Sie unter der Rubrik Aufführungen und Inszenierungen.