Die Tanzfabrik und die 1988 entstehende Tanzwerkstatt (unter André Theriault, der seit 1984 als Tourmanager der Tanzfabrik neben Peter Bäuerle als Geschäftsführer agierte) engagierten sich gemeinsam mit Nele Hertling für die Belange des Tanzes in Berlin, und diese Bemühungen führten 1988 zur Gründung des internationalen Tanzfestivals „Tanz im August“, das in den folgenden Jahren mit seiner Werkstattstruktur erneut eine Atmosphäre des Austauschs schuf.

Der Schnitt, den das Digitalisierungsprojekt vorerst ziehen musste, liegt nur kurz nach dem Fall der Mauer. Mit der Wiedervereinigung auch der beiden Hälften Berlins – Ost und West – änderte sich zunächst vor allem die Förderstruktur. Die Tanzfabrik, die 1983 erstmals mit größeren Summen gefördert wurde, stand nun auf einmal innerhalb des sich neu aufstellenden Feldes in Konkurrenz zu anderen Institutionen einer sich zunehmend ausdifferenzierenden freien Szene. Die Förderung ging zurück auf ein Budget, das weit unter dem Maß lag, mit dem man zuvor planen und rechnen konnte.

Dies mag neben dem sich verändernden ‚Zeitgeist’, dem die Idee des Kollektivmodells  ebenfalls nicht mehr wirklich entsprach, und anderen Gründen dazu beigetragen haben, dass sich die Arbeitsweise der Tanzfabrik Berlin änderte. 1995 wechselte sie von der kollektiven Produktion zu einer Struktur mit künstlerischer Leitung unter Claudia Feest, später Eva-Maria Hoerster (2003/4) und seit 2007 Ludger Orlok als Künstlerische Geschäftsführung. Die Tanzfabrik steht modellhaft für eine künstlerische Produktionspraxis, die sich, begleitet durch eine internationale Netzwerkbildung, der Entwicklung neuer Formen und dem Aufbau einer generationsübergreifenden tänzerischen Aus- und Weiterbildung verschrieben hat. 

Für eine noch ausstehende umfassende Aufarbeitung der Geschichte der Tanzfabrik und ihres Wirkens wären neben den künstlerischen Arbeiten insofern auch der Umgang und die Rolle der Tanzfabrik in den kulturpolitischen Prozessen Berlins zu beleuchten, welche Rolle sie in Bezug auf die lange schon währende Diskussionen um ein Tanzhaus in Berlin einnahm, die neuen, teilweise auch diskursiven Formate, die sie angesichts der Veränderungen der Tanzlandschaft initiierte. 

Für die jüngste Periode wäre zu fragen, welche Veränderungen die neuen Räumlichkeiten seit 2010 in den Uferstudios und die dadurch auch entstandene, enge Verbindung zum neu gegründeten Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz (HZT), an dessen Entwicklung sowohl Claudia Feest als auch Eva-Maria Hoerster maßgeblich beteiligt waren, und Institutionen wie Tanzraum/ Tanzbüro, ada-studio, Produktionsbüros, etc... mit sich brachten? Welche Funktion nimmt das Dance Intensive Program innerhalb der Berliner Tanzszene ein? Seit 1998 ist die Tanzfabrik an der Organisation der alle zwei Jahre stattfindenden Tanznacht beteiligt, die zum 20-jährigen Bestehen der Tanzfabrik von Claudia Feest als Tanzmarathon gestartet und danach als Biennale weitergeführt wurde. Welche Impulse wurden von hier aus initiiert? Und welche Möglichkeiten hat das seit 2005 im Rahmen des europäischen Netzwerks bestehende apap-programme (advanced performing arts project) eröffnet?

All die benannten Komplexe und Fragen bedürfen einer weiter gehenden Recherche und weiterer Interviews mit Zeitzeug*innen, Beteiligten, Akteur*innen der Tanzfabrik selbst sowie aus deren Umfeld. Das Digitalisierungs- und Rechercheprojekt zu den frühen Jahren der Tanzfabrik Berlin ist somit nur als Einblick in die Produktions- und Arbeitsweisen der Tanzfabrik, ihre historische Entwicklung, Einflüsse und Wirkung zu bewerten. Es will Impulse setzen für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Ort, dem Kollektiv, der Legende Tanzfabrik Berlin.