INTERNATIONALES THEATERINSTITUT / MIME CENTRUM BERLIN

MEDIATHEK

FÜR TANZ

UND THEATER

MCB-DV-9017

Windeier

Beschreibung

Windeier 

I. Windeier ist ein abendfüllendes Tanzstück in drei Akten von Jacalyn Carley und Dieter Heitkamp. Es hatte im April 1983 im Studio 1 der Tanzfabrik Berlin Premiere. Nach dem Duett Looping–Flugversuche (April 1981) ist Windeier die zweite choreographische Zusammenarbeit von Carley und Heitkamp. Das Duett Looping – Flugversuche war inspiriert von der Novelle Birdy von William Wharton aus dem Jahr 1978 und integrierte experimentelle Ansätze wie Malerei auf der Bühne, die Projektion von Dias, Akrobatik und Contact Improvisation in die Aufführung.1 Mit Windeier knüpfen Carley und Heitkamp an diese Arbeit an und führen sie mit größerer Besetzung fort. Neben den beiden tanzen in diesem Stück außerdem Frank Deutschmann, Riki von Falken, Claudia Feest, Michiko Hachisuka, Sabine Lemke und Norbert Mauk. Windeier spielt mit einer Vogel-Metaphorik und entwickelt aus der Geschichte um das Paar Al und Doris, „die nach gemeinsamen Höhenflug“2 in ihrem Nest sechs Eier entdecken, ein wildes und breit gefächertes Szenario rund ums Ei. Das Stück wurde in der Folge wiederholt zur Osterzeit gespielt. Windeier erhielt eine Projektförderung des Landes Berlin in Höhe von 10.000 DM.3

II. Für Windeier wird die gesamte Länge des Studio 1 genutzt, so dass die Zuschauer einander gegenüber vor den Wänden Platz finden. Dazwischen entsteht eine langgestreckte Bühnensituation, an deren hinterem Ende eine dreistufige Mauerkonstruktion aufragt. Von der Mauer aus sind hängende Trapezemelente erreichbar, welche die Tänzer*innen akrobatisch in ihr Spiel einbinden.

Die drei Akte des Stückes sind sowohl choreographisch als auch inhaltlich sehr unterschiedlich angelegt. In Akt 1 ist der in eine narrative Struktur eingebettete Tanz bestimmend. Nach einem ersten kurzen Solo von Carley entwickelt sich ein Duett mit Heitkamp. Federnde Bewegungen, wie das Aufspannen der Arme, das Hüpfen von Ebene zu Ebene auf der Mauer und das Schaukeln auf den Trapezstangen, lassen dabei an die Leichtigkeit eines Vogelpaares denken. In der folgenden Sequenz „schlüpfen“ die sechs anderen Tänzer im „Nest“, das einige nah beieinanderstehende unterschiedlich hohe Sockel am anderen Ende der Bühne bilden. Ihre sowohl versetzt als auch gemeinsam ausgeführten ruckartigen kleinen Kopfbewegungen und die Betonung der knöchernen Körperstrukturen spielen nicht ohne Komik mit der Abstraktion „Vogel“. Einer nach dem anderen werden die „Nachkommen“ von Carley und Heitkamp aus dem „Nest“ getragen und üben sich im Haufen und in Duetten zunächst mit ungelenken vogelartigen Bewegungen, die mit der Zeit an Eleganz gewinnen. Zunehmend ist die Choreographie der in weiß gekleideten Tänzer*innen durch schwarmartige Formationen geprägt.

Die spielerische Leichtigkeit der Bewegung wird durch die Jazz- und Experimentalmusik von John Surman und Laurie Anderson unterstrichen. Neben Musikeinspielungen vom Band dienen von Heitkamp verteilte Schlauchstücke zum einen als ’Wurmnahrung’ für die Brut, zum anderen als vielstimmige Klangkörper, die das Propellerbrummen eines Geschwaders sowie Flöt-, Pfeif- oder Ploppgeräusche hervorbringen. Im 2. Akt entwickelt sich ein an verschiedenen Stellen auf der Bühne zeitgleich ablaufendes performatives Geschehen, das eine Unmenge von Objekten, Aktionen, gesprochene und gesungene Textpassagen, sowie einen mit Bach-Musik unterlegten wissenschaftlich-künstlerischen Vortrag über das Ei mit eingeblendeten Dias verbindet. Der 3. Akt zeigt eine ironisch-humorvolle Prozession und eine feierliche Familienzusammenkunft an langer Tafel.

Archivsignatur der Akademie der Künste: AVM-33 10005 (https://archiv.adk.de/objekt/2926488)


1Informationen stammen aus dem von Jacalyn Carley auf ihrer Webseite (http://jacalyn-carley.com)
verlinkten PDF: Carley-Choreography-1977-to-1997.pdf

2Informationen aus dem Programmheft Windeier.

3Informationen aus dem Programmheft Windeier. 10000 DM waren für die damalige Zeit, in der ein Großteil der Produktionen der freien Szene ohne offizielle Förderung auskommen mussten, eine überdurchschnittlich hohe  Summe, die es den Choreograph*innen unter anderem erlaubte die es den Choreograph*innen alle Mitarbeiter eine Gage zu bezahlen.

Gruppe / Compagnie / Ensemble
Choreographie
Darsteller
Bühnenbild
Kostüm
Standorte
MCB
Reihe
Sprache
de
Aufnahmedatum
Freitag, 31. Dezember 1982
Orte
Stadt
Berlin
Land
Deutschland
Länge
73 min