Secret Correspondance
I. Secret Correspondance mit dem Untertitel The Beginning of an Epic ist ein abendfüllendes Stück von Dieter Heitkamp, Kurt Koegel und Ka Rustler, das im November 1991 im Theater am Halleschen Ufer in Berlin uraufgeführt wurde.
Heitkamp, Koegel und Rustler setzten sich in dieser Choreographie intensiv mit der Contact Improvisation auseinander. Der Tänzer und Choreograph Bob Rease unterrichtete in den 1980ern als Lehrer an der Tanzfabrik Berlin, die von Steve Paxton u.a. in den 1970ern entwickelte Bewegungstechnik. Einige Monate vor der Aufführung von Secret Correspondance, im Frühjahr 1991, stirbt er an den Folgen von AIDS. Die drei Tänzer*innern widmen das Stück, welches sie ehemals zu viert begonnen hatten, ihrem Freund und Lehrer.1
Ein weiterer Bewegungsimpuls, der nach Claudia Henne in das Stück Eingang gefunden hat, entstammt dem Body-Mind-Centering® nach Bonnie Bainbridge-Cohen. Ka Rustler brachte ihre Erfahrungen mit dieser damals noch kaum bekannten somatischen Arbeit mit Embodiment und mit der Differenzierung unterschiedlicher Organsystemen aus ihre amerikanischen Ausbildung in BMC in das Tanzstück mit ein.2
II. Auf der weiten Bühne des Theaters am Halleschen Ufer befinden sich 3-4
größere rollbare Objekte, sowie eine Lichtinszenierung mit stark raumschaffender Wirkung. Die drei Tänzer*innen bewegen sich zu einer Sound-Collage aus unterschiedlichen Musikstücken vom
Band, von klassischer Streichmusik, Elektro-Pop bis hin zu urbanen und organischen Geräuschen. Die Tänzer tragen farbintensive
Hosenanzüge, die in Teilen abnehmbar sind und im Laufe des Stückes immer mehr Blick auf Haut freigeben. Die Gestaltung von Raum, Klang, Kostüm und Bewegung fügt sich in ein Gesamtkonzept zusammen.
Heitkamp, Koegel und Rustler tanzen sowohl einzeln, als auch im Duett oder Trio, passagenweise synchron, versetzt oder auch unabhängig voneinander. Alltägliche Bewegungen, wie das Gehen entlang eines imaginären Rechtecks, wechseln sich ab mit Gesten, die den asiatischen Kampfkünsten oder der Akrobatik entlehnt sind.
Die Choreographie ist geprägt von Sprüngen, Schwüngen und vor allem von Hebe- und Tragemomenten der Contact Improvisation, während denen das Körpergewicht zwischen den Tanzenden zunehmend in einem kontinuierlichen Bewegungsfluss abgegeben und übernommen wird. Immer wieder unterbrechen für kurze Momente Posen den Fluss der Bewegung. Mit der Zeit entsteht so der Eindruck, dass zwar drei Körper gemeinsam und zugleich unabhängig voneinander agieren, sie jedoch ein gemeinsamer Bewegungsspürsinn verbindet. Die Fragen, wer oder welcher Körperteil die Bewegung initiiert, wo sie beginnt und wo sie endet ist bald nicht mehr zu beantworten.
Archivsignatur der Akademie der Künste: AVM- 33 10043/1 (https://archiv.adk.de/objekt/2926584)
1Sieben, Irene: „Magie der Trinität“, in: tanz Aktuell, Feb. 1992, S. 38.
2Feest, Claudia: „Prolog“, in: Feest, C., Tanzfabrik e.V. (Hg.): Tanzfabrik Berlin, Berlin, Hentrich & Hentrich, 1998, S. 6-10, hier S. 8.