Natura non facit saltus
I. Natura non facit saltus – Die Natur macht keine Sprünge – ist eine strukturierte Improvisation, ein Enviro-move-ment von Antja Kennedy, das 1988 im Park des Haus am Waldsee aufgeführt wurde. Natura non facit saltus ist eine ortsspezifische Performance, mit der Kennedy, inspiriert von der Umgebung des Haus am Waldsee, die Thematik der Stadtmenschen, die in der Natur zu ihrer wahren Natur zurückfinden, aufnimmt. Das Enviro-move-ment wurde von den Tänzer*innen Dieter Baumann, Norbert Kliesch, Susanne Kukies, Bridge Markland, Ka Rustler, Katharina Scholz und Christina von Massenbach jeden Abend neu interpretiert1, denn Kennedy gab jeweils leicht veränderte Scores und Tasks mit in die Struktur der Improvisationsthemen hinein. „Der Arbeitsprozess war, bis auf die Schlussphase, sehr von Sonnenenergie unterstützt! Die Themen [Scores] der Improvisation waren z.B. „Improvisiere zu jedem der vier Elemente“, „Bewege Dich an einem Dir angenehmen Ort“, „Spiele mit dem Gewichtssinn am Hang“ usw. „Aus vielen von diesen Erfahrungen [in der Interpretation der Scores] wurde eine Struktur, die den Tänzer(innen) sehr viel Freiraum und Verantwortung übergibt.“2
Zudem brachte jede/r der sieben Tänzer*innen andere Ausbildungshintergründe mit ein, die vom Modernen Tanz, Ballett, über Laban/Bartenieff Bewegungsstudien, Gymnastik bis hin zu BMC® und Contact Improvisation reichten, und so benutzen sie alle unterschiedliche Tanztechniken und Arbeitsmethoden.3
Es wurden zwei Aufführungen von Natura non facit saltus ausgewählt, eine vom 9.7.1988 und eine vom 10.7.1988, um zu verdeutlichen, wie unterschiedlich, aber doch ähnlich, diese strukturierte Improvisation jeden Abend war.
II. Zu Beginn der Performance verharren alle Tänzer*innen bewegungslos, jedoch in spannungsvoller Haltung, auf dem Balkon des Hauses am Waldsee, den Blick in die Ferne gerichtet. Die Frauen tragen lange Röcke und weiße Blusen, die Männer sind im Anzug gekleidet, die Szenerie erinnert an eine Gesellschaft aus dem vergangenen Jahrhundert. Im Hintergrund ist ein Glockenspiel zu hören. Im Zeitlupentempo finden die Tänzer*innen ihren Weg nach unten auf den Boden, über die Balustrade hängend und sich windend sowie über die Treppen kriechend und rollend. „Sie kommen als Tiere unten an, springen wie Riesenechsen, das Publikum scheuchend, über den Wiesenhang, brechen durch die Hecke und sind weg.“4 Die Zuschauer sind dazu aufgefordert den Tänzer*innen in den Park zu folgen. Tierschreie sind zu hören, die Performer*innen hängen an Bäumen, spielen mit Laub, Stöcken und Lehm, alleine, im Duett der Contact Improvisation oder alle zusammen in ekstatischen Gebärden, in denen sie sich aufbäumen, drehen und fallen und springen. Sie schlängeln sich durch den Park und entdecken ihre Umgebung, nutzen die Präsenz der Zuschauer, krabbeln durch sie hindurch oder beziehen sie in ihr Spiel mit ein. Teilweise gehen sie schwimmen, schlagen mit Stöcken aufeinander, die Kleider sind mittlerweile verschmutzt und zerfetzt. Zum Schluss finden sich alle Tänzer*innen wieder gemeinsam zusammen auf der Wiese ein, bevor sie, im Wasser stehend, sitzend oder liegend, sich ein letztes Mal, in stillen Posen verharrend, versammeln.
NB: Teile der Hintergrundinformationen stammen aus einer Korrespondenz mit Antja Kennedy am 07.09.2017.
Archivsignatur der Akademie der Künste: AVM-33 10024/2 (https://archiv.adk.de/objekt/2926565)
1Natura non facit saltus, Programmheft, (Archiv: Antja Kennedy)
2Ebd.
3Ebd.
4Müller, Katrin Bettina: „Sommergarten. Antja Kennedys Enviro-move-ment im Waldseepark“, in: o. A., Datum o. A., S. o. A.