INTERNATIONALES THEATERINSTITUT / MIME CENTRUM BERLIN

MEDIATHEK

FÜR TANZ

UND THEATER

MCB-DV-634

La Paloma-Luftgeschichten

Beschreibung

Sicher ist es keine abwegige Idee, sich an einem Tanzstück über das Seemannslied „La Paloma“ zu versuchen. Schließlich gehört „La Paloma“ zu einem der am häufigsten interpretierten Lieder der Musikgeschichte. Zweitausend verschiedene Fassungen zählten die Musikverlage um 1910 auf der ganzen Welt und wie viele es heute sind, weiß kein Mensch. Humphrey Bogart jedenfalls, Paco de Lucia und Ricky Shane haben „La Paloma“ gesungen und auch das Bläserensemble der Eisenbahnermusik Wiener Neustadt hat eine eigene Version herausgebracht.

„La Paloma - Luftgeschichten“ heißt das neueste Stück der italienischen Choreografin Livia Patrizi, in dem sich alles um dieses eine Lied dreht. Livia Patrizi hat früher bei Pina Bausch in Wuppertal getanzt und bei Mats Eks Cullberg Ballett und Joachim Schlömers Tanztheater war sie für eine Weile fest im Engagement. Seit 1990 choreografiert sie selbst. Für „La Paloma - Luftgeschichten“ haben Patrizi und ihr Ensemble jede Menge Papierschiffchen gebastelt. Sie liegen auf der Treppe, die zum Saal des Theaters am Halleschen Ufer führt, und breiten sich im Foyer auf dem Tresen, auf Tischen und Sitzgelegenheiten aus. Später weiß man: es war ein schlechtes Omen. Das Stück bezieht sich auch auf Texte von Paul Celan, Nelly Sachs, Marina Zwetajawa, James Joyce und vielen, vielen anderen. Es geht um Abschied und Abwesenheit und natürlich um die Rezeptionsgeschichte von „La Paloma“, um die deutsche vor allem. Ein Gespräch von Coco Schumann mit Paul Karalus, dem Regisseur des Films „Coco der Ghettoswinger“, ist im Programmheft abgedruckt, in dem Coco Schumann erzählt, wie sie im Lager „La Paloma“ spielen mussten, bevor zur Arbeit ausgerückt oder in die Gaskammer marschiert wurde, weil die SS diesen alten deutschen Schlager besonders liebte. Wenn bei Patrizi Krieg ist, dann tönen aus dem Off Fliegeralarm- und Bombengeräusche und ein Tänzer lässt aus seiner Mütze Orangen auf die hübsche Papierstadt fallen, die sein Kollege auf dem Boden gebastelt hat. Drei Männer, eine Frau, ein Radio und einen Koffer hat die Choreografin auf die Bühne des Theater am Halleschen Ufer gestellt, auf eine Metallscheibe genauer gesagt, eine kleine Insel, die ihr der Bühnenbildner Stefan Kreller gebaut hat. Die vier Akteure warten auf Post und langweilen sich, ab und an probieren sie sich in Karaoke oder stellen im Schnelldurchlauf Situationen nach. Einen sonntäglichen Familienausflug aus den Fünfzigern etwa, alles soll nur ganz blass, wie eine beiläufige, nicht mehr recht fassbare Erinnerung daherkommen - und blass, ganz blass ist es dann tatsächlich auch geworden. 


Weitere Vorstellungen: 24. und 25. Juni, 21 Uhr, Theater am Halleschen Ufer 


Drei Männer und eine Frau warten auf Post und langweilen sich. Gähn! (Quelle: Berliner Zeitung 24.6.2000)

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Choreographie
Darsteller
Musik
Standorte
MCB
Reihe
Aufnahmedatum
Donnerstag, 22. Juni 2000
Orte
Stadt
Berlin
Land
D
Kamera
Andrea Keiz
Länge
75 min