Elfriede Jelinek hat wieder zugeschlagen. Wie sehr Schreibenmüssen und Davonlassenwollen bei ihr beieinander liegen, das wissen die wenigsten. Immer wieder kündigt sie an, dies werde ihr letztes Stück sein, zum Glück für die Theater kann sie nicht anders. Auf »Ulrike Maria Stuart« (2006), »Über Tiere« (2007) und »Rechnitz (Der Würgeengel)«, das erst kürzlich in München uraufgeführt wurde, folgt nun ihr neuester Streich: »Die Kontrakte des Kaufmanns«. Es gibt wohl kaum eine Autorin, die so schnell auf die gesellschaftlich großen Themen reagiert, wie Elfriede Jelinek. Und kaum einen Regisseur, der ihr dabei so bereitwillig und eigensinnig folgt, wie Nicolas Stemann.
Mit »Die Kontrakte des Kaufmanns« taucht Jelinek ein in die Welt der entfesselten Finanzströme. Ausgehend von österreichischen Wirtschaftsskandalen der vergangenen Jahre führt die unnachgiebige Aufklärerin Jelinek die Spekulationswut der Banker und Manager vor. Wie stets ist die Wirklichkeit aber nur Startrampe zum kunstvollen Spiel der maßlosen Übertreibung und oft komödiantischen Verzerrung. Denn Jelinek zeigt Getriebene. Rauschhaft ist deren Lust am Verschieben nicht vorhandener Werte, die sich immer wieder von neuem anstachelt, nicht zuletzt an der Gier der Kleinanleger nach unablässig wachsender Rendite. Aber die Blase ist geplatzt, auch wenn sie das nicht wahrhaben wollen. Die Stunde hat geschlagen, und die Geschichtsschreibung, d.h. bei Jelinek der Sprachnotstand setzt ein. Denn sie haben nur ihre Sprache, um die eigene Haut zu retten. Und unschuldig ist hier niemand. Gerade dass immer der andere der Verantwortliche und man selbst das Opfer gewesen sein soll, verrät die eigene Verstrickung.
[csm]
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