MEDIATHEK

Dokumentation über den Dramatiker Peter Handke aus dem Jahr 1992.
Sowohl inhaltlich als auch formal außergewöhnlich: Troller versteht und definiert die Arbeit eines Dokumentarfilmers als "liebendes Menschenfressertum"; er nähert sich in der Reihe Personenbeschreibung seinen Protagonisten mit „jähen Fragen” (Peter Handke), begründenden Beobachtungen und einem „ganz eigenen Tonfall”.

Hier besucht er den Autor Peter Handke in dessen französischer Wahlheimat und betritt wie selbsverständlich persönliche Bereiche, zeigt Handke Ausschnitte aus einer früheren Begegnung der beiden und befragt ihn zu den Familienmitgliedern, Themen und seinem Bewusstsein jener Zeit - es entsteht ein bebildernder Kontrast zu einer en passant offengelegten gegenwärtigen Haltung. Die semantische Modifikation erstreckt sich über die Bildsprache der Kamera ebenso wie über die vom Sprachakrobaten Handke verbal ausgelösten Bilder. Souverän.
DE/FR 1992, 30 min. (dS)

"Troller asyntop-synchron: "Sind Sie eigentlich ein gläubiger Mensch, ein gottesfürchtiger Mensch?" Handke, syntop-synchron: "Nein, das kann ich nicht sagen."

Die verbale Äußerung hat in Zusammenhang mit Handkes Mimik und Gestik an sich nichts Modifizierendes. Durch die Umgebung jedoch und die vorhergehende Einstellung, in der Handke in einer Kirche andächtig eine Kerze anzündet, sowie durch den Bildaufbau mit der scheinbar über Handke mächtigen Madonna modifiziert Troller hier das Gesagte und stellt es in Frage. Das, was er aus dem Dichter nicht verbal locken kann, konnotiert er auf visueller Ebene und zeigt somit seine eigene "Interpretation" der Person Handke. Die entschiedene Verneinung des Dichters, die kontradiktorisch modifiziert wird, charakterisiert ihn als widersprüchliche Persönlichkeit.

Der Filmemacher verwendet auch asimultane Modifikationen, die Handkes Äußerungen kritisch beleuchten, wenn etwa der Dichter die Fragen "Mögen Sie Kinder?" und "Können Sie mit Kindern?" entschieden verneint, in der darauffolgenden Einstellung jedoch der liebevolle, sichtlich gerührte Vater im Umgang mit seinem Neugeborenen visualisiert wird. Es stellt sich die Frage, inwiefern Handke seine Verneinung ernst meint oder nur zur Irritation benutzt, inwiefern er in eine Rolle schlüpft, die von Troller entlarvt wird."

(Quelle: http://www.inst.at/trans/15Nr/06_2/herlo15.htm)

Anschliessend auf dem Master_Band: "Selbstbezichtigung" und "Weissagung" von Peter Handke, eine Aufzeichnung aus den Städtischen Bühnen Oberhausen, 45 min, Regie Günther Büch. 
(ausgekoppelt auf DVD unter MCB-TV-1046)

Ebenfalls auf dem Master und unter TV-1046 als DVD eine Gesprächsrunde zur Gegenwartsliteratur und deutschsprachigem Sprechtheater des Jahres 1966: eine Diskussion mit Peter Handke, dem Regisseur Günther Büch, Dr. Christian Mettin, Eo Pluinen und Prof. Dr. Georg Scherer.

tpw2013