INTERNATIONALES THEATERINSTITUT / MIME CENTRUM BERLIN

MEDIATHEK

FÜR TANZ

UND THEATER

MCB-DV-9003

Liebste Liebe

Beschreibung

Liebste Liebe 

I. Liebste Liebe ist ein abendfüllendes Tanztheater-Stück von Sygun Schenck, das 1984 Premiere hatte. Teile davon wurden bereits in einer kurzen 12-minütigen Version in Begegnungen, einer Gemeinschaftsproduktion von Choreographinnen und Musikern der Tanzfabrik 1981, aufgeführt. Ebenso fand Ei, ein Solo von Schenck, das ebenfalls im Rahmen von Begegnungen stattfand, in leicht abgewandelter Form Einzug in das Stück.

Liebste Liebe ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Beziehungsdynamiken und hierarchischen Strukturen innerhalb einer Familie, die Co-Abhängigkeit, Eigenständigkeit, Loslassen und das Erwachsenwerden thematisiert.

Liebste Liebe ist ein Stück über die enge Verflechtung von Harmonie und Macht, über das Erwachsenwerden einer Tochter (Heidrun Vielhauer), die immer wieder im Kampf mit den Eltern (Uwe Kloss und Sygun Schenck) versucht, durch Provokation den Machtstrukturen der elterlichen Autorität zu entkommen. Doch auch die Eltern sind in den Machtstrukturen der Gesellschaft und ihrem kleinbürgerlichen Leben verankert. Schenck bringt diese komplexe Thematik in einer humorvollen und zugleich düsteren Form, die manchmal an das Absurde und Unheimliche heranreicht, auf die Bühne.

II. Liebste Liebe ist ein dreiteiliges Stück, in dem sich Kloss, Schenck und Vielhauer als Familie begegnen. Eine Leine, die anfangs von Schenck um einen Tisch in der Mitte sowie den ganzen vorderen Bühnenrand gespannt wird, symbolisiert die Nabelschnur, eine immer währende Verbindung zu den Eltern. Die Eltern werden zusammen als eine vereinte Präsenz dargestellt, was durch identische blau-weiße Kostüme unterstrichen wird. In einer Szene wird dies besonders präsent: Schenck und Kloss bewegen sich übereinander und hintereinander auf dem Tisch, die Arme und Beine von sich gestreckt, so dass man bald nicht mehr erkennen kann, welche Gliedmaßen zu wem gehören.

Vielhauer als Tochter fügt sich den Regeln, sie ist weder Kind noch Frau, was mit ihrem puppen-ähnlichen Kostüm unterstrichen wird. Neben dem Tisch, der teilweise auch als Bett genutzt wird, sind zwei zusammengebundene Stühle mit Rollen die primären Requisiten, auf denen entweder die Eltern starr sitzen oder die Tochter in der Manier einer glücklichen und harmonischen Familie über die Bühne ziehen.

Neben Gesang, Tonbandaufnahmen und Sprache bestimmen Elemente aus dem Tanztheater das Geschehen.

Im Verlauf des Stückes fängt die Tochter an, die Harmonie in der Familie zu hinterfragen, doch die Eltern wollen weiter über die Tochter bestimmen und versuchen, die Harmonie aufrecht zu erhalten. Die Bewegung des Wegrollens der Tochter, als der Versuch sich der Familie zu entziehen, wird jedes mal abrupt von den Eltern unterbrochen. Wie eine Puppe wird die Tochter zurückgetragen und es scheint, dass die übermäßige Sorge der Eltern sie daran hindert frei zu sein. Im letzten Teil von Liebste Liebe löst sich die Tochter aus den Machtstrukturen der Familie und stellt ihre eigene Hierarchie auf. Sie schwingt die Stühle an der Leine um sich herum in einem Kreis. Die immer noch bestehende Leine zeigt jedoch, dass sie nicht komplett losgelöst ist. Sie wiederholt somit die Geschichte. Die Strukturen werden weitergetragen.


NB: Hintergrundinformationen stammen aus einem Gespräch mit Sygun Schenck, geführt am 31.07.2017.

Archivsignatur der Akademie der Künste: AVM-33 10009 (https://archiv.adk.de/objekt/2926492)

Gruppe / Compagnie / Ensemble
Choreographie
Darsteller
Musik
Standorte
MCB
Reihe
Sprache
de
Aufnahmedatum
Donnerstag, 24. Mai 1984
Orte
Stadt
Berlin
Land
Deutschland
Kamera
Rüdiger Hürter
Länge
59 min
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