MEDIATHEK

Anna aber 

I. 

Das kurze, von Annette Klar choreographierte und getanzte Solostück Anna aber wurde 1990 im Rahmen eines Gastspiels der Tanzfabrik Berlin in der Theatermanufaktur am Halleschen Ufer uraufgeführt. Zugleich präsentierte die Tanzfabrik an diesem Abend drei weitere Stücke: Whodidwhattowhom... von Dieter Heitkamp (Wiederaufnahme, Premiere 1987 in der Akademie der Künste Berlin), Fields in Fluency – Pole einer Einheit von Heitkamp und Kurt Koegel (Uraufführung) und Moschino Nirwana oder Die Kunst der Verpackung von Ka Rustler (Uraufführung).¹

II.

Auf der weiten Bühne der Theatermanufaktur wirbelt eine zarte Frau in einem rosaroten Kleid wild umher. Zu einem dichten Mix wechselnder Rhythmen von Holger Hiller ballt Klar die Fäuste, fasst sich im nächsten Moment taumelnd an die Stirn, schleudert unbändig ihren Kopf im Kreis, dreht unmittelbar danach grazile Pirouetten, um dann in kraftvoller Pose zu landen und ihre Oberarmmuskeln spielen zu lassen. Wie zu ihrem eigenen Erstaunen schmeißt sie ein Bein empor, bevor sie sich in weitem Sprung auf die Knie wirft. Schon steht sie wieder aufrecht, hält inne und lässt einen lasziven Blick über ihre Schulter gleiten. Auf der Grenze zwischen Verletzlichkeit und Stärke, Zartheit und Wildheit, Wut und Verzückung lotet Klar den Kipppunkt aus. Die unterschiedlichen Emotionen scheinen gleichzeitig in ihr zu toben und brechen unversehens ungezähmt hervor.

Klar erarbeitete für Anna aber Bewegungsqualitäten, die den ständigen Umbruch und das Chaos abrupter Wechsel zwischen fernen und doch nah beieinander liegenden Emotionen und den entsprechenden körperlichen Zuständen erkunden. Während ihres siebenminütigen Solos hält sie diese widersprüchliche Spannung absichtsvoll ohne lineare Struktur zwischen Choreographie und Improvisation lebendig. Anna aber widersetzt sich der eindeutigen Festlegung und ist zugleich weibliche Selbstbehauptung, leidenschaftlicher Protest und wütende Raserei.

NB: Teile der Hintergrundinformationen stammen aus einem Gespräch mit Annette Klar am 28.09.2017.

1 siehe Programmzettel/Ankündigung des Abends

Archivsignatur der Akademie der Künste: AVM34-10000/2 (https://archiv.adk.de/objekt/2926502)