Anna Blume ist rot
I. Anna Blume ist rot ist ein tragikomisches (Musik-)Tanztheaterstück aus dem Jahr 1985. Es basiert auf Gedichtausschnitten "An Anna Blume" von Kurt Schwitters, die von Jacalyn Carley und Martin Schurr als abendfüllendes Stück für eine Theaterbühne adaptiert wurden. Die weibliche Figur ist eine Mischung aus Anna Blume und Fräulein Franke. Carley und vor allem Schurr treten sowohl als Tänzer*innen sowie als Schauspieler*innen auf. Durch verschiedene Szenen hindurch schildern die von Schurr gesprochenen Gedichtpassagen die Geschichte des Charakters Anna Blume. Das Stück ist durch Sprache, Bühnenbild und Kostüme in der Zeit der 20er/30er Jahre situiert. Neben Szenen, die an eine Varietévorstellung oder ein Musical erinnern, findet ebenso eine Filmprojektion als multimediales Stilmittel Eingang in das Stück, das im Ganzen als Collage angelegt ist. Den kurzen schwarzweißen Stummfilm mit Klavierbegleitung und Texteinblendungen mit dem Titel „Rosen, die der Wind entblättert“, drehten Carley und Schurr mit Hans Hager. Analog zur Begegnung von Anna Blume mit dem Handelsreisenden Hans Knöterich, erzählt der Film mit den Worten des Schwitters-Gedichts Fräulein Franke, die Geschichte, wie aus der Begegnung zwischen Herrn Piesewitt und Fräulein Franke auf der Kuhweide ein amouröses Abenteuer wird.
II. Anna Blume erscheint als verletzliche und expressive Frau, die beeinflussbar und verträumt ist. Sie sucht die Liebe, hat aber weder Glück noch viel Verstand und verliebt sich in einen eitlen Mann, der sie immer wieder fallen lässt und dessen Haltung voller Ambivalenz ist. So sinniert Schurr in einem Monolog etwa über die Vorzüge einer Puppe gegenüber einer lebendigen Frau. Was mit dem gemeinsamen Besuch einer Kinovorstellung als romantische Liebesgeschichte beginnt, endet mit Anna Blumes Tod. Sie fällt der Scharlatanerie des Handelsreisenden bei einer Dämonenaustreibung zum Opfer. Bereits zu Beginn des Stückes verweist Schurr in der Rolle eines Conférenciers
auf den traurigen Ausgang der nachfolgenden Geschichte, während Carley sich mit einem Skelett tanzend über die Bühne bewegt. Große Gefühle und hoffnungsvolle Gesten treffen auf emphatische Musik und beleuchten das Leben von kleinen Leuten, die kaum zueinander finden. Die musikalischen Einspielungen vom Band reichen spartenübergreifend von Charleston, Jazz und Tango über Walzer bis hin zu Rock’n’Roll. Obwohl die Darsteller zu der Musik tanzen, arbeitet der Ausdruck ihrer Bewegungen entgegen der Bewegungsvorstellung, welche die Musik suggeriert. Paartänze und Duette wechseln sich ab mit tänzerischen Soloeinlagen und theatralen Monologen. Sowohl die Sprache als auch der Tanz im Stück sind in dadaistischer Manier durch ironisch groteske Brechungen gekennzeichnet. So tanzt Anna Blume nach einer Ankündigung des Varieté-Conférenciers in einem langen eleganten Rüschenkleid mit weiten Schwüngen, Drehungen, empor gestrecktem Bein und divenhaft ausgebreiteten Armen über die Bühne. Doch schon im nächsten Moment unterwandert sie selbst ihre damenhaft professionelle Tanzallüre mit koboldhaften Hopsern, kindlicher Unsicherheit und unbeholfenen Gesten der Zuneigung für den zunehmend beschämten Herrn.
Die kurzen Stücke Anna (in Memoriam) und Last Waltz von Carley sind Vorläufer von Anna Blume ist rot. Sie wurden unter anderem in dem gemischten Solo-Duo Programm Im Dutzend Billiger der Tanzfabrik gezeigt.
Nachweis:
NB: Teile der Hintergrundinformationen stammen aus einer E-Mail-Korrespondenz mit Jacalyn Carley vom 18.09.2017 sowie aus dem Programmheft von Anna Blume ist rot (Akademie der Künste, Berlin – Archiv Darstellende Kunst)
Archivsignatur der Akademie der Künste: AVM-33 10019 (https://archiv.adk.de/objekt/2926502)