„Double Portrait“ – das Portrait für Przemek Kaminski und Nir Vidan – ist als Solo für zwei Persönlichkeiten, deren Körpern, Bewegungen und Rhythmen angelegt. Jeder der beiden findet seine Verlängerung im Anderen. Der gemeinsame Raum bestimmt in unterschiedlichen Relationen Selbst und Gegenüber, Intimsphäre und Verantwortung, aufeinanderprallende Kräfte und Heftigkeit und schafft ein Netz von Interaktionen. Die Arbeit spielt mit Aspekten Frances Bacons Malerei, deren Komplexität der visuellen Rhythmen, deren Intensität und Unmittelbarkeit. Als Hybrid entfaltet sich ein Spannungsfeld zwischen Sinnlichkeit und Gewalt. Die Arbeit öffnet Zeitfenster, die still zu stehen scheinen und zugleich viel zu schnell vergehen; sie fragt nach der Beziehung zum Selbst, die sich im Andern ausdehnt und von dort in die Welt. Zu Beginn von „Double Portrait“ treffen die Zuschauenden auf zwei Tänzer: Przemyslaw Kaminski und Nir Vidan stehen vor einer mehrdeutig dunklen Leinwand, die an der hinteren Wand des Raums angebracht ist. Während die zwei Tänzer zugleich alltäglich und förmlich aussehen, ist ihre Haltung einander gegenüber entspannt. Wie schauen sie uns an? In ihrem auf uns gerichteten Blick ist das merkwürdige Fehlen jeglichen Erkennens zu beobachten. Es scheint, als schauten sie auf etwas, das ihnen fremd ist und zu dem sie nicht gehören. Wir fragen uns, in welcher Beziehung die Tänzer zu dem sie umgebenden Raum stehen. Die Zuschauenden wohnen einem körperlichen Austausch der Tänzer bei: In einem subtilen, aber stetig voranschreitenden Rhythmus verlängern sie ihre eigenen Körper, so dass sie Teil des Körpers des Anderen werden. Durch diesen Mechanismus schaffen sie einen Körper mit einer neuen Rechtmäßigkeit. Der so neu entstehende Körper lädt uns zur Interpretation ein. Er möchte gelesen, vermerkt, und bezeichnet werden. Gleichzeitig wird er aber auch als spielerische Oberfläche dargestellt, die sich selbst beschreibt und beschriftet. Die Körper in „Double Portrait“ sehnen sich danach, verteilt zu werden, sich zu verflüssigen oder als Teil einer größeren Maschinerie wahrgenommen zu werden, die mit anderen Organen, Flüssigkeiten und Aggregatzuständen verknüpft ist. Die Performance stellt gängige Vorstellungen davon, was ein Körper ist, infrage, und untersucht, wie die Tänzer ihre Körper nutzen, um ein neues Bild von Körperlichkeit zu entwickeln. In „Double Portrait“ stimmt das gängige Bild des Körpers nicht mit dem körperlichen Zustand der tanzenden Körper überein: In ihrer Darstellung des Körpers geht es um die Beziehung zwischen zwei Körpern, um ihr Verhältnis zum Raum und dessen horizontale und vertikale Achsen. In „Double Portrait“ wird eine psychologische Neudeutung von Körperlichkeit durch eine Betrachtung bloßer biologische Vorgänge ersetzt. Gleichzeitig wird die soziale Fassade des Körpers zu einem Ort der Begegnung, der Pflege und der Gewalt, die sich in das Fleisch und Blut der Tanzenden eingeschrieben haben und aus denen ihre Porträts und Subjektivitäten erwachsen. Auf paradoxe Weise zeigt uns „Double Portrait,“ dass jedes Subjekt eine eigene emotionale Gemeinschaft schafft und sein eigen nennt. Saša Božic ́ Die Tänzerin und Choreografin Isabelle Schad studierte klassischen Tanz in Stuttgart und tanzte für zahlreiche Choreograf*innen, bis sie 1999 anfing, ihre eigenen Projekte zu initiieren. Ihre Schwerpunkte sind der Körper und seine Materialität, das Verhältnis zwischen Körper, Choreografie und (Re-)Präsentation, Gemeinschaftsbildung sowie politisches Engagement. Ihre Arbeiten werden auf internationalen Festivals gezeigt, u.a. Internationale Tanzwoche Wien, Tanz im August, International Arts Festival Beijing, Impulstanzfestival. Sie arbeitete mehrfach mit dem Goethe Institut zusammen und ist regelmäßig bei der Internationalen Tanzplattform Deutschland zu Gast. 2003 gründete sie zusammen mit Bruno Pocheron und Ben Anderson das internationale Künstlernetzwerk und Projekt „Good Work“ und ist Teil des Projektes „Practicable“, mit dem sie 2010 und 2011 die Gruppenstücke „Glazba“ und „Musik“ realisierte. Darüber hinaus verbindet sie eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Laurent Goldring, mit dem sie 2015 im Rahmen der gemeinsamen Werkschau „On Visibility and Amplifications“ am HAU Hebbel am Ufer die Arbeiten „An Un-Folding Process“, „Der Bau“, „Unturtled #1 & #4“ und „Collective Jumps“, das 2014 im HAU uraufgeführt wurde, präsentierte. Im Herbst 2015 kehrte sie außerdem mit „Fugen“ und 2016 mit „Pieces and Elements“ ans Haus zurück. isabelle-schad.net Przemek Kaminski ist ein polnischer Choreograph und Performer. Er arbeitet und wohnt in Berlin und ist derzeit Student des BA-Studiengangs „Tanz, Kontext, Choreografie“ am HZT Berlin. Er ist außerdem Absolvent des Qualifikationskurses (Zeitgenössischer Tanz) des Nationalen Kultur Zentrums und Masowien Kulturinstitutes in Warschau und wurde mit dem Diplom vom polnischen Ministerium für Kultur und Nationalerbe ausgezeichnet. Darüber hinaus nahm er an vielen künstlerischen Programmen teil, einschließlich dem „XXI CSAV – Artists Research Laboratory“ unter der Leitung von Yvonne Rainer und dem „Choreographic Laboratory: Borderbodies“ mit Meg Stuart. Er hat als Performer unter anderem in Projekten von Isabelle Schad, Juan Dominguez Rojo, Krzysztof Garbaczewski und Nicole Seiler gearbeitet. Seine eigenen Arbeiten wurden u.a. am Zentrum für zeitgenössische Kunst Schloss Ujazdowski, Galeria Labirynt, der Art Stations Foundation und am Hamburger Bahnhof Museum für Gegenwart gezeigt. Nir Vidan ist freischaffender Choreograph und Performer und arbeitet in Berlin und Tel Aviv. In seinen eigenen Arbeiten, als auch als Kollaborateur in den Projekten anderer Künstler, experimentiert und beschäftigt er sich seit 10 Jahren mit Zeitgenössischem Tanz und Performancekunst. 2010 schloss er seinen BA in Tanztheater und -vermittlung in Tel Aviv ab, 2015 absolvierte er in Berlin den BA in Tanz, Kontext und Choreographie am HZT. Seine letzten Arbeiten „Horizontal Lecture“, „The War Department Presents: Untitled – war in progress“, „Epidermis“ und „Heritage of Harmonica“ zeigte Vidan in Berlin in der Kunstfabrik am Flutgraben und den Uferstudios, am Het Veem Theater Amsterdam und im Rahmen des Room DanceFestival 2014 in Tel Aviv und Jerusalem. Als Performer arbeitete er zuletzt mit den Berliner Choreographinnen Miriam Jacob, Isabelle Schad und Emma Tricard sowie in den Stücken der israelischen Künstlerinnen Yael Tal, Hila Golan und Galia Fradkin. [Quelle: Abendzettel] {MHr}
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