D: Die neue Arbeit von Christina Ciupke, Nik Haffner und Mart Kangro lässt sich als eine Fortführung ihrer letzten gemeinsamen Arbeit "wait and see" aus dem Jahr 2012 verstehen. Damals untersuchten die drei PerformerInnen die intimen Schicht(ung)en physischer und verbaler Kommunikation und beschäftigten sich damit, wie individuelle Handlungen das Kollektive beeinflussen und in ihm aufgehen. Die aktuelle Kollaboration begann mit einer Frage: Inwieweit ist jede(r) Einzelne ersetzbar? Dieser Ausgangspunkt verlagerte sich im Verlauf der Recherche hin zu: Wie lässt sich das, was eine Person ausmacht, fassen? In einer dialogischen Struktur entwirft die Performance spielerisch einen Algorithmus des wechselseitigen Befragens zwischen den PerformerInnen: Im Rückgriff auf die persönlichen Archive - von Erlebnissen, Erinnerungen, Gedanken - wird etwas von dem sichtbar, was und wer wir sind. Nie stehen diese Fragen hörbar im Raum. Auf Papier geschrieben liegen sie still auf dem Tisch, der im Raum steht und zur eigentlichen Bühne wird. Im gegenseitigen Aktivieren dieses Archivs wird dem kurzen Moment Raum gegeben, bevor ein Gedanke sich entfaltet, bevor eine Erzählung sich konkretisiert. Es ist ein Moment des Suchens und des Zweifelns: Ein Gedanke im Entstehen und eine Erinnerung in Warteposition werden ein zweites Mal überdacht. Sie sind immer schon beides: ein Jetzt und eine Erinnerung. Das Sich-Zuspielen von Erinnertem, Erlebtem, Erhofftem und in der Beantwortung der stummen Fragen umkreist etwas, das vor dem Hintergrund einer in der Kunst und Gesellschaft heute tief verwurzelten Skepsis gegenüber jeder Form von Essentialismus, beinahe wie ein No-Go erscheint: menschliche Identität. Dabei wird Identität nicht als reine Projektionsfläche gedacht, sondern durchaus als etwas, was "uns ausmacht" und was im Akt des "Etwas-über-sich-Sagens" ebenso hervortritt wie im Willen zum Wissen über die anderen. Die schlichte serielle Spielstruktur macht jede Frage zu einer Facette, über die Christina Ciupke, Nik Haffner und Mart Kangro wechselseitig für- und miteinander ihre Porträts als Selbst- und immer zugleich Fremdbilder choreographieren. (Constanze Schellow) Christina Ciupke lebt und arbeitet als Choreografin und Performerin in Berlin. Ihre Projekte entwickelt sie mit KünstlerInnen aus dem Bereich Tanz und anderen Künsten. Innerhalb dessen entwicklt sie spezifische Räume und Situationen, wo Nähe und Distanz, Intimität, Zeitempfinden und das Zusammensein von Zuschauer und Performer immer wieder neu verhandelt werden. Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet sie mit den Choreographen Nik Haffner, Mart Kangro, der Filmemacherin Lucy Cash, dem Bildenden Künstler Lars à˜ Ramberg, dem Komponisten Boris Hauf und dem Dramaturgen Igor DobriÄić. Von 2003 bis 2004 ist Christina Ciupke Gastkünstlerin am Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM). 2013 erhält sie einen Master of Arts in Choreografie (AMCh) an der Amsterdam School of the Arts. Ihre Arbeiten, "kannst du mich umdrehen"(2011) "wait and see" (2012) und "undo,redo and repeat"" (2013) touren national und international. ENGLISH: Christina Ciupke, Nik Haffner and Mart Kangro's latest piece can be seen as a continuation of their last piece together in 2012, "wait and see". Back then the three performers explored the intimate layer(ing)s of physical and verbal communication and examined how individual actions influence and emerge out of the collective. The current collaboration began with the question, 'to what extent is every individual replaceable?' This starting point shifted during the research process to 'how is it possible to grasp what makes a person?'. The performance devises a playful dialogue structure of algorithmically alternating questions between the performers. In reference to a personal archive - of experience, memory, thought - something of what and who we are is revealed. These questions are never uttered audibly in the space. Written on paper, they lie silently on the table which constitutes the actual stage. In a mutual activation of this archive a space is given for a brief moment before a thought unfolds itself, before a story becomes concrete. It is a moment of searching and of doubt. A thought in development and a memory standing by are reconsidered a second time. They are always both things - a present and a memory. The interplay of the remembered, experienced, hoped and the responses to the silent questions, circles around something that is almost a "no-go" regarding todays ingrained skepticism in art and society towards all forms of essentialism: which is human identity. This identity is not intended as pure projection, but certainly as something that "makes us" and also emerges out of the act of "telling- something-about-you" intenting to find out about the other. The simple serial game structure makes each question a further facet in which Christina Ciupke, Nik Haffner and Mart Kangro take turns to choreograph each others portraits as self- and othered images. (translation: Daniel Belasco Rogers, Arzu Saglam) Christina Ciupke is a performer and choreographer based in Berlin. In her artistic practice she develops projects in collaboration with artists from dance and other disciplines. Within this frame she investigates the correlation and area of conflict between the notions of "projection, retrospection and speculation" focusing on performative moments in a broader context. Ongoing collaborations maintain with film-maker Lucy Cash, composer Boris Hauf, visual artist Lars à˜ Ramberg, choreographer Nik Haffner and Mart Kangro and dramturge Igor DobriÄić. From 2003 to 2004 Christina Ciupke is guest artist at the Center for Art and Media (ZKM) in Karlsruhe. In 2013 she receives her M.A. in Choreography from the Amsterdam School of the Arts. Her works e.g. "kannst du mich umdrehen" (2011), "wait and see" (2012) and "undo, redo and repeat" (2014) tour national and international. [Quelle: Abendzettel] jup