Seit Jahren reise ich in die unterschiedlichsten Länder, um meine Arbeitspraxis zu vermitteln und mit Menschen vor Ort Stücke zu entwickeln - um mit ihnen Tanz zu schreiben . Für Experience #1 kehre ich den Vorgang um und bringe einige dieser Menschen nach Berlin. Unsere Verbindung als Gruppe basiert auf gemeinsamer Körperpraxis und jenen intensiven Erfahrungen, die wir an den unterschiedlichen Orten geteilt haben. In veränderter Konstellation suchen wir in der Arbeit nach alternativen Möglichkeiten zu bestehenden (Re)präsentations-formen und Realitäten. 26 Menschen aus 11 Ländern praktizieren für 3 Wochen zusammen.
Die Ursprünge für Bewegung und Tanz haben den Körper selbst als Grundlage und finden sich wieder in seinen Entstehungsprozessen. Diese Entstehungs-prozesse, die auf zellulären Vorgängen und embryologischen Entwicklungs-mustern beruhen, haben wir alle durchlaufen: Es handelt sich um ein Entstehen von Form in einem kontinuierlichen Prozess - einer Form des Werdens. Ein Prozess, in dem die Faltung zum Gesetz der Metamorphose von elementaren Membranen wird. Ein Ordnen in Raum und Zeit, die eine Choreographie von gleichzeitiger raum-zeitlicher Veränderung im Falten beinhaltet.
Das Bild (und der Tanz) wird zum Organ des/der Körper/s und nicht seine Repräsentation. Die Form (Organisation des Materials = Choreographie) hängt mit diesen Prozessen zusammen: was in-formiert die Form? Muster scheinen wie Gewebe gesponnen, der Rhythmus eines Bildes organisiert sich im Verhältnis zum Rhythmus von Tönen, von Klang, Puls, Vibration. Rhythmus spielt wiederum eine zentrale Rolle in unserer frühen embryonalen Entwicklung. Die Form des Werdens mit Formen gesellschaftlicher Organisation zu vergleichen, Zusammenhänge und Interdependenzen zwischen Natur, Praxis, Gemeinschaft, Bild und Klang zu erforschen sind Recherchefelder, die mich sehr an diesem Projekt interessieren.
Folgendes Zitat aus Die Form des Werdens von Janina Wellmann erinnert mich an meine Arbeitsweise: Die Falte gestaltet eine Form entlang ihrer Linie, jedes Krümmen, Schwellen, Ausbuchten oder Einkerben, an jedem Punkt, in jedem Moment, verändert unmittelbar die raum-zeitlichen Koordination des gesamten Embryos. Jede Form, die sich nach Innen abschnürt, öffnet zugleich einen neuen Raum nach außen, jedes Außen ist daher auch ein Innen, die Trennung in Gebildetes und Ungebildetes, geformte und ungeformte Materie ist immer nur temporär, die Verhältnisse kehren sich während der Bildung des Embryo immer wieder um. Einmal Gebildetes existiert nicht, um zu bestehen, sondern um sich wieder aufzulösen, seinen Platz zu tauschen, die Seite zu wechseln, das Außen in ein Innen, die Oberfläche in einen Körper zu verwandeln : Immer wieder von Neuem, voneinander abgegrenzt und doch ineinander verschlungen, mit jeder Wiederholung differenzierend und variierend, schälen die Faltungen sukzessive die Gestalt des Embryos heraus.
Isabelle Schad
[Quelle: Abendzettel]
hbg
Selma Banich, Nino Bokan, Roberto Bolivar, Moyra Silva Rodriguez, Ivaylo Dimitrov, Jorge Gonçalves, Roni Katz, Nikolina Komljenovic, Vera Knolle, Inna Krasnoper, Nina Kurtela, Martha León, Maja Marjancic, Sarah Menger, Andrea Ochoa, Eduard Mont de Palol, Sybille Müller, Carlos Maria Romero, Ivana Roncevic, Martina Rösler, Lola Rubio, Karolina Šuša, Martina Tomic, Nils Ulber, Ivana Vrataric, Marysia Zimpel