Die Regisseure erhalten ein Stichwort („16.6.98“) und einen Zeitrahmen von 20 Minuten – alles andere bleibt ihnen frei überlassen. Ein Spiel auf Zeit: Wer nicht direkt mit der Tür ins Haus fällt, verpasst die Party, noch bevor sie richtig beginnt.
Regisseure & Stücke:
Berit Stumpf – Screen Memories
Katka Schroth – Kommt doch!
Jörg Laue – 20 Minuten für John Lennon
Der erste Teil des Abends, „Screen Memories“, wurde von Berit Stumpf inszeniert und griff das Joycesche Vertrauen in die Erschließungskraft des Trivialen auf. Das Stück thematisierte Langeweile, Erinnerungen, eine Einladung zum Abendessen und die Wirkung von Peanutbutter. In einer Mischung aus Gruppentherapie und Talkshow, ergänzt durch charmant unbeholfene Musicaleinlagen, erzählten Christine Gross, Sean Patten und Tatjana Turanskyj von ihrem 16. Juni 1998. Obwohl dieser Dienstag, wie Christine apathisch zugibt, nicht wirklich aufregend war, entwickelte sich eine köstlich leichtfüßige Gesellschaftskomödie. Die jungen Protagonisten erwiesen sich als unermüdliche Erfinder passender Erinnerungen und unterbrachen sich ständig, um ihre Version der Ereignisse durchzusetzen. Sie zogen sich Geschichten an wie Kleidungsstücke, um in der Prosa des Lebens nicht zu erfrieren. Der 16. Juni wurde so zu einem Boulevard der Bastelbiographie.
REGIE: Berit Stumpf
VON & MIT: Christine Gross, Sean Patten, Tatjana Turanskyj
VIDEO / PROJEKTION: Leigh Haas
MUSIKALISCHER BERATER: Daniel Haaksman
MUSIK: Dirk Schäfer
Das zweite Stück, „Kommt doch!“, wurde von Katka Schroth konzipiert und inszeniert. Es war gleichzeitig Titel und Regieanweisung, die sich in diesem Fall direkt an das Publikum richtete. Viele Zuschauer folgten der freundlichen Einladung, betraten die Bühne, aßen Kekse, legten sich auf Klappbetten, setzten Kopfhörer auf oder ließen sich auf die Gespräche mit einer der drei Akteure ein. Dadurch entstand eine ungewöhnlich interaktive Theatererfahrung, bei der die Grenzen zwischen Bühne und Publikum verschwammen.
KONZEPTION / REGIE: Katka Schroth
KONZEPTION / DRAMATURGIE: Livia Theuer
MIT: Caroline Peters, Rachel West, Sven Walser, Jan Plewka
Das dritte Stück des Abends, „20 Minuten für John Lennon“, inszeniert von Jörg Laue, entsprach inhaltlich eher dem Datum des 16. Juni 1998. Die Inszenierung konzentrierte sich auf theoretische Diskurse über Bild, Sprache und Wahrnehmungskrisen, die durch den Jargon der Beobachtung zweiter Ordnung geprägt waren. Sichtbare Aktionen waren kaum vorhanden, doch die Zuschauer wurden durch ausreichend Seminarreflexionen über die Gründe dieses Minimalismus schadlos gehalten.
TEXT / RAUM / MUSIK: Jörg Laue
MIT: Claudia Splitt, Christopher Martin, Hans-Friedrich Bormann
[msb]
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Abspann | Berliner Zeitung vom 5.12.98