Aufzeichnung aus dem Burgtheater 1974
Was mich immer wieder bei ihm fasziniert, ist die Musikalität seiner Sprache in Rhythmus und Tonart. Auch seine Stücke sind gleichsam in symphonischen Sätzen komponiert. Am stärksten berührte mich sein Stück „Jagdgesellschaft“, in dem er die Dichte eines Strindbergschen Kammerspiels erreicht. Strindberg und Dostojewski ' hier soll kein Vergleich angestellt werden, aber bei diesen sehe ich die Patenschaft.
CARL ZUCKMAYER
Die Jagdgesellschaft
Drama von THOMAS BERNHARD
Inszenierung: Claus Peymann
Bühnenbild: Karl-Ernst Herrmann
Kostüme: Moidele Bickel, Karl-Ernst Herrmann
Mit: Gertrud Helmer, Judith Holzmeister, Maresa Hörbiger, Joachim Bissmeier,
Heinz Frölich, Werner Hinz, Klaus Höring, Rudolf Melichar, Rudolf Wessely
Auch in „Die Jagdgesellschaft“ wird das Theater zum Verhandlungsort von Bernhards Ängsten, seiner Manien, seiner Abneigungen, seiner individuellen Mythologie; er spinnt alle die ihn bedrängenden Themen aus: gesellschaftlicher Verfall; Sucht zum Tode; künstlerische Existenz, die mit ihrer eigenen Perfektionierung ringt; politisches Leben als groteske Fiktion; Landschaft als eine verschlingende Kraft; menschliche Verkrüppelung als Todes-Zeichen.
Die Szene ist das Jagdhaus eines Generals; der hat einen Arm in Stalingrad gelassen; die Macht entgleitet ihm, seine »Landschaft«, sein Waldbesitz, wird vom Borkenkäfer zerfressen. Im Jagdhaus hocken die Generalin und der Schriftsteller, ein genüsslicher Beobachter des Zerfalls; er trinkt mit ihr und spielt Siebzehn und Vier, ein perfides Kartenspiel, und sie sind lustig inmitten der sich selbst vernichtenden Natur.
»Die Jagdgesellschaft« beschreibt mit der Figur des Generals den Finalzustand eines Mannes, dem Natur noch »gehörte« ' im doppelten Sinne des Wortes: Besitzer eines Waldes und Bewohner dieses Waldes zugleich; mit ihm lebend, mit ihm zerfallend; und den Zerfall nicht wahrnehmend: der graue Star, die eigne Todeskrankheit, nimmt ihm den Blick auf die der Natur. Und auch die Infamien der ihm nachwachsenden gesellschaftlichen Kräfte bleiben ihm verborgen: seine sprachlos wie Apparate
funktionierende politische Umgebung wartet hinter seinem Rücken auf sein Ende. Erst als der Schriftsteller, in einer langen Nacht philosophischer und ästhetischer Gedankenspiele, ihn mit dem Entwurf einer Komödie konfrontiert, die seine eigne Tragödie aufarbeitet, erkennt er seine Situation. Und entzieht sich der nichtsnutzigen Zukunft, dem Abtransport zur sinnlosen Operation in der Klinik, durch einen Schuss in den Kopf. In der Außenwelt bestätigt sich sein Ende unmittelbar. Kaum ist er tot, fangen Hacken und Sägen an, den Wald niederzulegen: »Die Holzfäller / Wie gut sie arbeiten«.
(Quelle: http://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/service/shop/16-die-jagdgesellschaft.at.php)
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Werner Hinz, Judith Holzmeister, Heinz Froelich, Rudolf Melichar, Klaus Hoering, Maresa Hoerbiger, Gertrud Helmer, Rudolf Wessely, Joachim Bissmeier