Componist: Arnold Schönberg
"Verklärte Nacht"
Streichsextett opus 4
komponiert 1899
Brodsky String Sextett
Basler Sinfonie Orchester
Musikalische Leitung James Judd
Musikalische Aufnahmeleitung: Wilhelm Zürrer
Buch: Adrian marthaler
egd
An diesem Sonntag zeigt das Fernsehen DRS die von Adrian Marthaler umgesetzte DRS Eigenproduktion zu Arnold Schönbergs «Verklärter Nacht». Marthaler verbindet Bilder im
Wartesaal und auf einem Perron des Elsässerbahnhofs in Basel mit der Programmmusik von
Schönberg.
An der Wand des Wartesaals hängt ein überlebensgrosses Bild von Kaiser Franz Josef.
Schlagzeilen auf Plakaten situieren die Zeit der Jahrhundertwende. Die Bahnhofsuhr zeigt
zehn Uhr (abends). Menschen warten. Auf den letzten Zug? Auf den ersten Zug am Morgen?
Wenn der Uhrzeiger auf die sechs vorrückt, ist für die Leute im Bahnhof eine quälend lange
Nacht des Wartens vorbei.
In diesen äusseren Rahmen platziert Musikregisseur Adrian Marthaler in seiner Fernseh-
Inszenierung «Verklärte Nacht» innere Projektionen. Die Gedanken, Träume und Fantasien
der Wartenden werden gewissermassen in «lebenden Bildern» nachgestellt: Szenen aus
einem Lazarett sind zu sehen. Der Blick in ein schwülstiges Bordell voller aufdringlicher
Nacktheit irritiert. Und immer wieder verweilt die Kamera auf Musikern, die einzeln oder in
stets wechselnden Gruppen im Wartesaal oder draussen auf einem Podest vor einem
wartenden Zug musizieren. Diesen verschiedenen Ebenen zugeordnet ist Arnold
Schönbergs Musik: Abwechslungsweise und fast unmerklich im Übergang erklingt das
spätromantische Werk in zwei verschiedenen Versionen, in der klaren Streichsextett-
Fassung von 1899/1917 und in der üppigeren Fassung für Streichorchester von 1943.
Bewusst nimmt Marthaler kaum Bezug auf das Gedicht von Richard Dehmel, das
Schönbergs Tondichtung zugrunde liegt. Im «Oltner Tagblatt» vom 25. März 1990 und
diversen weiteren Zeitungen schreibt Peter Kaufmann dazu: «In freier Assoziation lässt er
[Marthaler] die Musik ihr Eigenleben gewinnen zu Bildern von morbider Schönheit. Ein
gewagtes Vorgehen, das zu einer begeisternden Form geführt hat.»
Am Sonntag, 8. September 1990, wiederholt Fernsehen DRS im Rahmen des Schönberg-
Zyklus die «Verklärte Nacht». Das Marthaler-Werk wurde 1990 auf dem Fernseh-Festival in
Tiblis mit dem Spezialpreis für die beste Regie ausgezeichnet.
In der Sonntags-«Matinee» vom 9. September 1990 berichtet Christopher Nupen von
Gemeinsamkeiten im Werk Schönbergs und des Philosophen Ludwig Wittgenstein.
Anschliessend erklingt Schönbergs Kammersinfonie Nr. 1; Erich Leinsdorf dirigiert das SWFSinfonieorchester.
(Quelle: http://www.srf.ch/medien/news/chronik-8068/)
egd
Johanna Lier, Enzo Scanzi, James Judd, Jessica Früh, Christoph Marthaler