INTERNATIONALES THEATERINSTITUT / MIME CENTRUM BERLIN

MEDIATHEK

FÜR TANZ

UND THEATER

MCB-TV-6910

Yo no soy bonita

Beschreibung

/ BESETZUNG & CREDITS /

Regie und Performance: Angélica Liddell

Licht: Carlos Marquerie

Tontechnik: Antonio Navarro

Lichttechnik: Félix Garma

Videokamera: Vicente Rubio

Bühnenmeister: Gumersindo Puche

Technische Leitung: Marc Bartoló

Produktionsleitung: Gumersindo Puche

Produktionsassistenz: Mamen Adeva



/ NACHTKRITIK /

Die Szenerie mutet ländlich-archaisch an: links ein altes Bettgestell aus Holz, der dazugehörige Nachttisch steht ein Stück entfernt. Irgendwann wird auf einem Video eine Frau zu sehen sein, die das Kopfteil dieses Bettgestells wie einen Pflug über einen kargen Acker zieht. Dann befindet sich auf der Bühne noch ein Stuhl und ein kleiner Erdhügel, auf dem ein toter Hase liegt. In der Ecke gegenüber steht hinter aufgeschichteten Heuquadern ein weißes Pferd und verströmt wohligen Stallgeruch.

Doch wohlig wird dieser Abend nicht werden, und das weiße Pferd später zum Symbol für Unschuld und ihrer gleichzeitigen Verkehrung in sexuelle Obsession. Hinter einem Matratzenturm tritt in Ballerinas und einem schweren schwarzen Mantel bald eine zierliche Frau mit langem schwarzen Haar hervor, und leert erst mal gierig eine Flasche Bier, bevor sie die Flasche zerschlägt und die Scherben über eine bombastische Geburtstagstorte streut und damit ungenießbar macht.

„Ich bin jetzt 46“, sagt sie. „Und mit 46 ist eine Frau nur noch Müll.“ Das ist ein ambivalenter Satz im Kontext dieses gut einstündigen Soloabends. Ein Abend, der von der Frau als Objekt sexueller Gier (und Gewalt) von Männern handelt, geboren nur, um ge- beziehungsweise missbraucht zu werden. Und gelegentlich nach Gebrauch auch auf den Müll geworfen zu werden. Einmal im Laufe des Abends wird es eine Aufzählung von missbrauchten und ermordeten Mädchen geben. „Ich habe noch nie einen Mann getroffen, der unschuldig ist“, hört man an diesem Abend auch einmal.

So gesehen könnte das Altwerden für eine Frau auch das Herauswachsen aus der Zone bedeuten, in der sie zum Objekt männlicher Gier degradiert ist. Aber wo kein Selbstwert empfunden wird, kann wohl auch keine Befreiung gelingen: „Man hat mich gelehrt, mich dafür zu hassen eine Frau zu sein, statt meinen Körper selber zu besitzen. Ich will ein Scheiß-Mann sein“, lässt also Angélica Liddell die Figur sagen, die sie verkörpert, und die sie mit der autobiografisch anmutenden Erzählung einer traumatischen sexuellen Missbrauchserfahrung als Neunjährige ebenso ausstattet wie mit ihrer Verfremdung in artifiziellen Videobildern. Sie zeigen eine gespenstische Frau irgendwo auf einem Feld zwischen Olivenbäumen, wo sie am Ende seltsam heulend und stöhnend mit entblößtem Unterkörper zwischen den Fragmenten eines Haushalts steht, den man jetzt auch auf der Bühne sieht.

Dort wird man Zeuge eines merkwürdig disparaten Abends, der mit einiger Hingabe das Bild der Frau als Opfer malt. Der sich zotig eigenen sexuellen Sehnsüchten ebenso widmet wie den immer ein wenig abfällig geschilderten männlichen Begierden. Die Frau, die sagt, dass sie nicht schön ist, weil schöne Mädchen leichter zu Missbrauchsopfern werden, beklagt gleichzeitig ihr Älterwerden, tanzt, singt mit rauchiger Stimme und schwerer ironischer Verzerrung französische Liebeslieder mit, die über Band eingespielt werden. Oder Opernarien. Mit Rasierklingen ritzt sie irgendwann ihre Knie auf, um dann das herabfließende Blut mit Brot vom Bein abzuwischen und zu verspeisen. Immer wieder leert sie Bierflaschen in sich aus. Windet sich, tanzt, schreit. Stößt Sätze voll grimmigen Pathos' aus.

– Esther Slevogt



[csm/msb] https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=8316:yo-no-soy-bonita-angelica-liddells-feministische-performance-beim-festival-foreign-affairs-in-berlin&catid=665:berliner-festspiele-foreign-affairs&Itemid=100476 [23.04.2020]

Regie
Darsteller
Bühnenbild
Licht
Standorte
MCB
Sprache
spa
Aufnahmedatum
Mittwoch, 21. August 2013
Kamera
n.n.
Länge
58 min