Wir haben alles, hurra. Wir sind aufgeklärt und lösen unsere Probleme mit Hilfe von hochspezialisierten Experten. Flächendeckende Ideologien und charismatische Führerfiguren haben und benötigen wir schon lange nicht mehr. Nein, sie wurden mit einem schwungvollen Handstreich der Vergangenheit überstellt, sie sind Schnee von gestern. Wir sind umrauscht von kaum mehr zu durchschauenden Hochgeschwindigkeitsprozessen, die über Nacht alte Stars töten und immer neue gebären. Die Neuen statten wir mit allen nötigen Kompetenzen aus, die Macht der medial vervielfachten Worte und Gesten legen wir ihnen vertrauensvoll in den Schoß.
Mr. Chance, der Protagonist aus dem Roman Being There des polnischen Autors Jerzy Kosinsky, ist auch so eine Figur. Außer dem Garten, den er immer sorgfältig gepflegt hat, kennt er nichts. Alles, was er über die Welt draußen weiß, weiß er aus dem Fernsehen. Als sein Hausherr stirbt, muß Chance zum ersten Mal hinaus in die Welt. Innerhalb kürzester Zeit steigt er auf in höchste gesellschaftliche Kreise. Er macht Karriere. Ruhe, Ehrlichkeit und eine sonderbare Gartenrhetorik machen den ahnungslosen Gärtner und TV-Konsumenten über Nacht zum Medienstar und Präsidentschaftskandidaten.
Chance ist die Geschichte unserer verdrängten Wünsche und Sehnsüchte und treibt die Untersuchung unserer immer tiefergreifenden Sinnleere hinauf bis an den Punkt, an dem das Bedürfnis nach einer messianischen Führerfigur entstehen kann. Den Punkt, an dem ein Mr. Chance zur Projektionsfläche vieler Hoffnungen werden kann: "Yes, we can." www.ballhausost.de
SAMANTHA VIANA, TIMO KLEIN, STEPHAN KORVES, ALEXANDER SCHRÖDER