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MCB-TV-125

Pension Schöller: Die Schlacht

Autorenschaft
Beschreibung

Aufzeichnung der legendären Inszenierung Frank Castorfs: Pension Schöller (Carl Laufs und Wilhelm Jacoby) mit Die Schlacht (Heiner Müller): "Pension Hitler oder Das fidele Grauen. 


» Frank Castorf inszeniert „Pension Schöller", das heißt natürlich: Er inszeniert das Stück und inszeniert es nicht. Er läßt es auflaufen und zerschellen - und plündert das Wrack. (...) Er verlegt die Wilhelminische Komödie ins Kriegsjahr 1939, auf den Tag von Hitlers Geburtstag. Und er preßt in die Szenen der Berliner Posse Bilder aus einem ganz anderen deutschen Drama gewaltsam hinein: aus Heiner Müllers Szenenfolge „Die Schlacht'!, (...) Zweimal der deutsche Mensch und Kleinbürger auf Abwegen. In „Pension Schöller" macht er sich bloß lächerlich, in der „Schlacht" macht er sich blutig. Philipp Klapproth kommt aus der Provinz in die Hauptstadt Berlin und möchte endlich was erleben. Aber Philipp Klapproth will bei seiner Lustpartie mehr als alle anderen: nicht die üblichen „galanten Abenteuer", das hat er wohl hinter sich. Er sucht ein schärferes Vergnügen: Ein richtiges Irrenhaus möchte er intim kennenlernen, mit richtigen Verrückten. Der Neffe und der Freund des Neffen erfüllen dem lüsternen Onkel seinen Wunsch, mit einer Lüge. Sie bringen ihn in die Pension Schöller, ein gutbürgerliches Etablissement, und sagen dem Onkel, dies sei ein Narrenhaus. Und der Onkel, wild aufs Abenteuer, sieht fortan Wahn, überall Wahn in der braven Pension. 

Die exaltierte Frauenschriftstellerin, der skurrile Weltenbummler, der polternde Major, der vom Theaterwahrn befallene Kellner: Für Onkel Klapproth sind das alles authentisch Verrückte. Philipp Klapproths wundersame Reise in die Weltstadt ist exemplarisch für die tragikomischen Expeditionen des deutschen Kleinbürgertums. Man möchte ja bloß mal was Nettes erleben - doch dann geht die Reise von der Langeweile geradewegs in den Irrsinn und gleich wieder zurück. Die ersehnten Gestade (namens „Glück" und „Abenteuer") kommen niemals in Sicht. Heiner Müllers „Schlacht" sagt dasselbe, nur schärfer und kälter. Deutsche Geschichte, das ist: Krieg, Nachkrieg, Vorkrieg, Krieg. Der wahre Frieden wird niemals erreicht. Und an die guten Onkels glauben nur die armen Irren. 

Der Festsaal: ein Alptraum-Salon mit hohen braunen Ledertüren, grausigen, schmutzigen Blumentapeten, blutrotem Ledergestühl. Hoch oben an der Decke hängt ein Leuchter mit mickrigen Lampenschirmen. Dieser Raum, das sieht man sofort, wird keine Heimstatt sein für schöne Menschen und erhabene theatralische Handlungen. Herr Bernhardy (...) holt aus seiner Reisetasche zwei tatsächlich lebendige Riesenschlangen heraus und schlingt sie sich um die nackte Mannesbrust. Der Onkel flüchtet ins Volksbühnen-Parkett. Doch dann kehrt er auf die Bühne zurück und zeigt dem Schlangenbeschwörer, daß er auch was kann: wikkelt sich mit Triumphgebärde in seine Hosenträger, als seien das die gefährlichsten Reptilien. (Eine weitere unglaubliche Einlage Henry Hübchens ist das unendliche Rutschen auf Kartoffelsalat. dS) Nach diesen beiden sensationellen Slapstick- Szenen gibt sich der Kritiker im Zuschauer geschlagen. Castorf hat gewonnen - obwohl das Ziel seiner Kunst oder Nichtkunst nie der langweilige Endsieg ist, nur das Abenteuer der Theaterschlacht. « (Quelle: BENJAMIN HENRICHS | DIE ZEIT, 29.04.1994 Nr. 18)

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Quelle: BENJAMIN HENRICHS | DIE ZEIT, 29.04.1994 Nr. 18
Regie
Darsteller
Kostüm
Musik
Standorte
MCB
Aufnahmedatum
Sonntag, 31. Dezember 1995
Orte
Stadt
Berlin
Land
Deutschland
Kamera
Stephan Langstädtler, Michael Goetze, Thomas Brost, Hans-Joachim Rabien, Monika Schmitt, Herwig Gerlach
Länge
153 min