Oskar Panizza - ein lange angefeindeter und vergessener Autor (1853 - 1921), der in den 70er Jahren kurzfristig eine kleine Renaissance erlebte und seither wieder in Vergessenheit geraten ist - verfasste diese Groteske über eine Fabrik, in der Menschen hergestellt werden und die sich als die königliche Porzellan-Manufaktur von Meißen entpuppt.
Bühne: Hendrik Nagel
Kostüme: Adelheid Wieser
Tongestaltung: Christoph Kalkowski
Deutsches Theater Berlin, Baracke
Premiere 23. März 1997
Eine Inszenierung in der Baracke im Deutschen Theater Berlin, Premiere 23. März 1997.
„Immer faszinierender schärft sich das Profil, das die junge Crew hochbegabter Anfänger ' die Regisseure Thomas Ostermeier und Christian von Treskow und der Dramaturg Jens Hillje ' der 'Baracke' neben dem Deutschen Theater geben. Jetzt lieferte von Treskow, ebenfalls aus der Talentschmiede 'Ernst Busch', mit der szenischen Umsetzung einer Erzählung von Oskar Panizza einen dichten und eindringlichen Theaterabend. Auch die 'Menschenfabrik' bezeugt, wieviel Feuer und Phantasie, aber auch wieviel Fleiß und Konzentration die junge Mannschaft aufzubringen vermag.
[…] Eine Erzählung von gespenstisch unheimlicher Poesie, der E.T.A. Hoffmann, aber auch Edgar Allan Poe Vorbild waren. Ein Wanderer kommt in eine Fabrik, in der 'Menschen wie Brot gemacht werden'. Männer, Frauen, Kinder, Chinesen gar. Täuschend ähnlich, mit immer gleichen Gesten und Gefühlen.
[…] Von mausgrauen Arbeiterspinden umzingelt, sitzen die vier gleichermaßen hinreißenden Schauspieler an Nähmaschinen-Tischen, von denen nur Trittbrett und Schwungrad in Bewegung geraten, so daß sie wie Schreibtische wirken. In braunem Tweed, mit steifen Hüten im Stil englischer Industrialisierung uniformiert, geben sie die unheimlichen Texte einander als Stafette weiter. Darstellerisch mechanistisch umgesetzt. Kommandos gebieten aus dem Off konformes Verhalten: Essen! Wandern! Schlafen! Aber nur drei Bettstellen gibt es für die vier Angestellten. Das reicht als Zeichen von Ausbeutung. […] Nichts ist hier plakativ, alles aber sagt: Sucht, findet, bewahrt und verteidigt Eure Individualität!“
[msb]Lorenz Tomerius / Die Welt