INTERNATIONALES THEATERINSTITUT / MIME CENTRUM BERLIN

MEDIATHEK

FÜR TANZ

UND THEATER

MCB-SV-969

Das Jahrhundert des Theaters (4)

Autorenschaft
Beschreibung
Teil 4: Planspiel oder Endspiel - Brecht und Beckett. Zwei Jahrhundertgenies widmet die Sendereihe eine eigene Folge: Brecht und Beckett - gesehen als Antipoden des Theaters nach 1945, und als Zeitzeugen einer sich verändernden Welt. Über die Jahrhunderterfahrungen von Diktaturen und Kriegen hinaus, hatte der Holocaust eine bis dahin unvorstellbare Dimension des Völkermords offenbart. Der jähe Schock der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki machte zudem klar, dass die Menschheit erstmals in ihrer Geschichte die Fähigkeit zur völligen Selbstauslöschung gewonnen hat. Bertolt Brecht als letzter großer Dichter der Aufklärung, als Sozialist und selbsternannter erster Dramatiker des „wissenschaftlichen Zeitalters“ arbeitet, noch im amerikanischen Exil, an der Uraufführung seines „Leben des Galileo Galilei“. Das Drama über den Physiker und Genussmenschen Galileo, der von der Heiligen Inquisition zum Widerruf seiner Welterklärungen gezwungen wird, ist Brechts Reflex auf das Verhältnis von Wissenschaft, Kunst und Macht, auf den „Verrat der Intellektuellen“ im 20. Jahrhundert - und womöglich auf sein eigenes Schweigen über Stalin. Unter dem Eindruck des Atombombenabwurfes überarbeitet Brecht das Stück, feilt weiter an der Dialektik von Macht und Wissen, von falschem Mut und kluger Feigheit. Ganz dialektischer Materialist versucht Brecht, den Glauben an den unaufhaltsamen Fortschritt zu bewahren. Nach seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil, gründet Brecht im Osten Deutschlands das Berliner Ensemble. Sein Theater setzt mit höchster dramaturgischer Intelligenz und schauspielerischer Präzision neue Maßstäbe für die internationale Szene. Durch Gastspiele in Westeuropa hat Brechts Theater politisch und ästhetisch Einfluss auf Entwicklungen auch in Frankreich, Großbritannien und Italien, Brechts Stücke werden seit den 50er Jahren weltweit gespielt. In der Blütezeit des Berliner Ensembles, die Brecht durch seinen frühen Tod 1956 nur wenige Jahre erlebt, beginnt auch der Aufstieg eines ganz anderen Autors: In einem Pariser Kleintheater wird 1953 Samuel Becketts „Warten auf Godot“ (Foto) uraufgeführt. Beckett verkörpert den radikalen Gegenentwurf zu dem politisch engagierten, aufklärerisch orientierten Theater Brechts: er verwandelt die ästhetischen und geschichtlichen Erfahrungen des Jahrhunderts, vom Surrealismus bis zu den Absurden, vom Holocaust bis zur Atombombe, in reines, existentielles Spiel. Bei Beckett heißt Leben Scheitern, und es geht immer nur darum, besser zu scheitern. Becketts Werk, das die Tradition des Theaters des Absurden von Alfred Jarry bis hin zu Ionesco vollendet, bildet den Anfang und Höhepunkt einer Ära. Die Tragikkomödie im Zeitalter des nuklearen Fortschritts, der sich Brecht am Ende entzog, hat Beckett in unerhörter Weise beglaubigt. Wie Brechts Muster-Inszenierungen werden auch Becketts Inszenierungen ab den 60er und 70er Jahren zu Ikonen: mit der Gefahr formaler Typisierung und inhaltlicher Erstarrung. Erst Autoren und Regisseure wie Heiner Müller und George Tabori brechen die Werke neu auf und entdecken darin einen zeitgenössischen Subtext. Wenige bedeutende Regisseure - fast nur Giorgio Strehler in Italien und George Tabori in Deutschland und Österreich - erkunden in ihren Inszenierungen beide Autoren. Erst das neue Regietheater der 60er, 70er und 80er Jahre tritt aus dem Schatten Brechts und Becketts heraus, indem die Regisseure selbst immer mehr zu „Autoren“ der Szene werden. (Quelle: 3sat Programm)
Regie
Standorte
MCB HFS
Aufnahmedatum
Montag, 31. Dezember 2001
Land
DE
Kamera
Frank Hoffmann, Didier Lacoste, Jan Peter Sölter
Länge
60 min