Teil 2: Spiele der Diktaturen - Theater zwischen 1933 und 1945.
Noch unter dem Eindruck des 1. Weltkriegs und der russischen Revolution 1917 hatten sich in ganz Europa künstlerische Avantgarde-Bestrebungen mit einer Politisierung der Künste verbunden. Doch nun werden links-revolutionäre und liberal-demokratische Tendenzen immer stärker mit den totalitären Bewegungen des Stalinismus und Faschismus konfrontiert.
Theaterkünstler geraten in den Konflikt zwischen Widerstand und Anpassung, viele emigrieren oder werden verfolgt und getötet. Zugleich inszenieren Stalin, Hitler und Mussolini ihr öffentliches Selbstbild mit theatralischen und filmischen Stilmitteln, in denen sich auch Elemente des Expressionismus und des Futurismus zu einer aggressiv pathetischen „Ästhetisierung der Politik“ verbinden. Die reale Gewalt bleibt hinter dem offiziellen Schaugepräge der Diktaturen zunächst verborgen. In Spanien ist 1936 eines der frühesten Opfer der Dichter und Dramatiker Federico García Lorca.
Das Spannungsfeld zwischen Kunst und Diktatur zeigt sich am deutlichsten in der Sowjetunion und in Deutschland: In der Sowjetunion versteinern die Impulse der Avantgarde, des russischen „Theateroktobers“, durch die Repressionen des Stalinismus und die Etablierung eines affirmativen „Sozialistischen Realismus“. Versuche von Majakowski, Meyerhold, Erdman und Bulgakow, die Widersprüche der postrevolutionären Gesellschaft satirisch zu reflektieren, werden abgewürgt.
In Deutschland (und ab 1938 in Österreich) treiben die Nationalsozialisten die wichtigsten Dramatiker und zahlreiche Regisseure ins Exil, u.a. Brecht, Horváth, Fritz Kortner und Max Reinhardt. Vor allem in Zürich entsteht eine der bedeutendsten Theaterenklaven.
Doch die meisten Regisseure, Bühnenbildner und viele bedeutende Schauspieler, die oft keine anderen Sprachen sprechen, bleiben im Land und beginnen sich mit den Nazis zu arrangieren.
Hitler, Goebbels und Göring stützen ihre Propaganda vor allem auf den Rundfunk, die Wochenschauen und die Presse. Dagegen bleibt im Theater ein gewisser Freiraum. Es dürfen keine jüdischen oder linken Autoren mehr gespielt werden. Doch Klassiker und unpolitische Unterhaltungsstücke sind weiterhin erlaubt. Gustaf Gründgens (Foto), Regisseur und einer der faszinierendsten Schauspieler des Jahrhunderts, wird trotz seiner Verbindungen zu linken Künstlern Generalintendant des Berliner Staatstheaters, an dem u.a. Jürgen Fehling, neben dem emigrierten Erwin Piscator der bedeutendste Regisseur des deutschen Expressionismus, mit suggestiven Choreografien, Kostümen und Bühnenbildern Shakespeares und Schillers Königsdramen als Metaphern der faschistischen Herrschaft inszeniert. Erst am 1.September 1944, fünf Jahre nach Kriegsbeginn, lässt Goebbels alle Theater schließen. (Quelle: 3sat Programm)
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