Erstmalig zeigt das Fernsehen die Geschichte des Theaters im 20. Jahrhundert im Zusammenhang, lebendig und anschaulich erzählt, mit zahlreichen Szenenausschnitten, bedeutenden Zeitzeugen und seltenen Dokumenten der Zeitgeschichte. Eine Geschichte in Bildern, wie sie so noch nicht erzählt wurde: Das 20. Jahrhundert als große Bühne - das Theater eines Jahrhunderts im Wechselspiel zwischen politischem Zeitgeschehen, immer schnelleren Veränderungen der Lebenskultur und umstürzenden Entwicklungen der Technik, Wissenschaften und Künste. Schauspiel und Drama werden zum Spiegel einer Epoche. Von der Pariser Weltausstellung 1900 bis zur Expo 2000, von der Psychoanalyse und den Anfängen des Films bis zur Atombombe, Weltraumfahrt und Gentechnik, von Kriegen, Revolutionen und revolutionären Erfindungen bis zur Wiederentdeckung des nackten Raums und des nackten Körpers im Theater ist das 20. Jahrhundert Schauplatz bis dahin unvorstellbarer Tragödien und Komödien. Die Sendereihe zeigt in sechs thematischen Filmen die Entwicklung der Avantgarde zum politischen Theater, von der Klassikerrezeption über das Regietheater bis zur Postmoderne. Die Öffnung neuer Theaterräume und der Austausch der Bühne mit anderen Künsten, wie der Malerei, dem Film, dem Tanz und der Musik, zeigen, wie wandlungsfähig das älteste Medium der Welt ist. Im Zentrum steht das deutschsprachige Theater. Zugleich werden die wichtigsten Entwicklungen der internationalen Schauspielszene in oft überraschenden Zusammenhängen beleuchtet. Für ihre sechsteilige Filmreihe haben der Autor Peter von Becker (langjähriger Mitherausgeber von „Theater heute“ und jetzt Feuilletonchef des Berliner „Tagesspiegel“) und der Regisseur C. Rainer Ecke in Zusammenarbeit mit dem ZDF Theaterkanal eine bisher beispiellose Recherche in der Geschichte des Kulturfernsehens gestartet. Dabei wurde eine Fülle unbekannter oder bisher nicht gezeigter Dokumente aus Theater-, Kultur- und Zeitgeschichte entdeckt und in Zusammenhang gesetzt. Es entstehen Lebensbilder von Künstlern wie Max Reinhardt, Stanislawski, Meyerhold, Brecht, Kortner, Piscator, Gründgens, Strehler, Beckett - bis hin zu Peter Stein, K.M. Grüber, Zadek, Peymann, Peter Brook und Ariane Mnouchkine. Es spiegelt sich das Theater der Diktatoren Hitler und Stalin ebenso wie die Revolten der 60er Jahre und die Wende zum Ende des Jahrhunderts. Davon erzählen die großen Theatermacher der Epoche - und als heutige Zeitzeugen auch Künstler und Kritiker wie Gert Voss, Marcel Reich-Ranicki, George Tabori, Henning Rischbieter, Hellmuth Karasek, Frank Castorf und viele mehr… (Quelle: 3sat Programm)
6-teilige Dokumentation mit zahlreichem Archivmaterial
BUCH: Peter von Becker
REGIE: C. Rainer Ecke (Folge 1-5), Matthias Schmidt (Folge 6)
SPRECHER: Esther Schweins und Otto Sander.
Der Aufbruch ins 20. Jahrhundert verändert die darstellenden Künste stärker als je zuvor in ihrer mehr als zweitausendjährigen Geschichte. Im vorrevolutionären Russland bringt der Dramatiker Anton Tschechow den Alltag und die Gegenwart auf die Bühne. Was Ibsen und Strindberg für das realistische Drama vorbereitet haben, setzt Arthur Schnitzler unter dem Eindruck Freuds und der Psychoanalyse fort: Die bürgerliche Lebenswelt wird zum Abbild des in Selbstgewissheit erschütterten Individuums. Der wachsende Einfluss des Films und die nach der Erfindung der Fotografie zur Auflösung fester Formen und Figuren drängende, im Expressionismus und in der Abstraktion explodierende Malerei beflügeln das Theater in zwei weitausgreifenden Richtungen: hin zum psychologisch verfeinerten Realismus - und zum überhöhenden, die Expression des Unbewussten fordernden Symbolismus. So wird das Theater vom Schauspieler-Ereignis und der verkörperten Deklamation von Texten immer mehr zur Inszenierung, zur vielschichtigen Interpretation. Es ist die Geburtsstunde des modernen Regisseurs und der Bühne als Kunst- und Welt-Raum. Aus Kulissen und Requisiten werden gleichrangige Elemente der szenischen Interpretation: Auch der Bühnenbildner wird zum Theaterkünstler. Stanislawski mit seinen Moskauer Tschechow-Aufführungen begründet als Regie- und Schauspielstil einen auf emotionaler Einfühlung beruhenden psychologischen Realismus. Seine Schule hat später immensen Einfluss auf den Film, Stanislawskis Nachfolger (Lee Strasbergs Actor Studio) prägen zahlreiche Hollywood-Stars. Dem gegenüber verwirklichen Edward Gordon Craig, Adolphe Appia und Max Reinhardt (Foto) in unterschiedlicher Weise die Wagnersche Idee des Gesamtkunstwerks. Vor allem Reinhardt, der in Wien, Salzburg und Berlin das größte (private) Theaterimperium Europas begründet, verbindet erstmals alle verfügbaren künstlerischen Techniken - Bild, Musik, Tanz, Choreographie, Schauspiel und Film - in seinen poetischen-expressiven Klassiker-Inszenierungen. Mit Gastspielen und Verfilmungen trägt er seine Techniken durch Europa und auch in die USA. Die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und der Russischen Revolution sprengen im Theater dann die letzten Grenzen der traditionellen bildungsbürgerlichen Erbauung. Politik und Poesie, Bildende Kunst, Film und Drama strömen im Theater zusammen. Eisenstein, Meyerhold und Tairow, Piscator, Jessner und Brecht, die revolutionären Maler (von Malewitsch bis Picasso), die Künstler des Bauhauses, die Dramatiker der Großstadt (von Toller bis Horváth), Expressionismus, Konstruktivismus und Surrealismus bescheren den szenischen Künsten einen nie gekannten Boom. In den Metropolen des Nachkriegs tanzt das Theater dabei - zusammen mit seinem Publikum - auf dem Vulkan. Die Kultur blüht direkt neben dem Elend, der Metropolenglanz kontrastiert mit den weltweiten Wirtschaftskrisen. Von Moskau bis Madrid, von Rom bis Berlin werfen neue Diktaturen und künftige Kriege bereits ihre Schatten voraus. (Quelle: 3sat Programm)
Es ist ein Begleitbuch zu dieser Reihe erschienen: „Das Jahrhundert des Theaters“, hrsg. von Peter von Becker, Dumont Verlag, 2002.
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