Unter dem Motto Zeitgenoss*in sein nahmen an dem von der Kulturstiftung des Bundes veranstalteten Tanzkongress 2016 in der niedersächsischen Landeshauptstadt mehr als 800 Fachbesucher*innen teil. Der Tanzkongress hat sich seit seinem Auftakt in Berlin 2006 als eines der wichtigsten Foren für die Diskussion und Präsentation von Tanz, Choreografie und Bewegung etabliert.
Der Beitrag ‚Releasing the Archive', bestehend aus einem Künstler*innengespräch und dem anschließenden Workshop ‚Experimentelle Klinik für choreografische Wiederbelebungsversuche', versteht sich als Experimentierfeld, auf dem das Körperwissen der Wiener Tanz-Avantgarde der 1920er und 30er Jahre wiederbelebt und transformiert werden soll.
Im Rahmen eines Künstler*innengesprächs stellen Carol Brown und Thomas Kampe ihr gemeinsames Rechercheprojekt ‚Releasing the Archive' vor, das im Dezember 2015 in Zusammenarbeit mit der New Zealand Dance Company in Auckland entstanden ist. Es widmet sich den Möglichkeiten, die somatischen Grundlagen des Wiener Ausdruckstanzes der 1920er und 30er Jahre für die Gegenwart zugänglich und nutzbar zu machen. Anhand von Videodokumentationen der Recherche sowie historischer Texte und Bilder soll das Potenzial dieser bislang nur wenig erforschten Körperpraktiken für den zeitgenössischen Tanz, aber auch für eine zukünftige ‚Ethik des Körpers' analysiert werden.
Im Workshop werden die Verbindungen zwischen der Ausdruckstanzbewegung im Wien der Zwischenkriegsjahre und deren Weiterführung in Australien durch die emigrierte jüdische Choreografin Gertrud Bodenwieser ab den 1940er Jahren praktisch untersucht. Die Teilnehmer*innen experimentieren mit den Grundlagen der Tanztechnik Gertrud Bodenwiesers, die ihrerseits von den pädagogischen Ideen Bess Mensendiecks zur weiblichen Selbstwahrnehmung von Haltung und Bewegung geprägt wurde. Dabei soll die Feldenkrais-Methode eine Brücke schlagen zwischen den somatischen Praktiken der Vergangenheit und den durch zeitgenössische Techniken geschulten Tänzer*innenkörpern.
Beide Veranstaltungen entwickeln sich entlang folgender Leitfragen: Inwiefern beeinflussen eigene Erfahrungen mit Migration und Exil die Beziehungen zu vergangenen Körperkulturen? Was können die somatischen Grundlagen des Ausdruckstanzes für die Zukunft bereithalten? Wie beeinflusst eine Aneignung dieser Methoden der Vergangenheit den Körpern von heute?
Präsentation, Gespräch
chh
http://www.tanzkongress.de/de/kongress/tanzkongress-2016.html