Er ist die Galionsfigur des deutschen Theaters und ist immer wie zufällig zur Stelle, wenn etwas Großes oder etwas Neues zu bewegen ist. Dabei ist Jürgen Flimm, derzeit Leiter der Salzburger Festspiele, nur mäßig ehrgeizig. Der 66-jährige Regisseur drängt sich nicht nach Posten, jagt der Macht und dem Geld nicht hinterher. Das hat er auch nicht mehr nötig, denn er ist eine Institution geworden, an der man nicht vorbeikommt im Kulturbetrieb.
Der Theaterregisseur Jürgen Flimm ist bescheiden und nur manchmal auch der Interessent in eigener Sache: Um die Intendanz der Salzburger Festspiele, mit der er im Herbst der Schlussphase seiner Laufbahn ein Glanzlicht aufsetzte, hat er durchaus gekämpft, wie er im Porträt von Felix Schmidt zugibt.
Eine bedeutsame Station, wenn nicht gar die wichtigste, war das Hamburger Thalia Theater, das Flimm 15 Jahre lang als Intendant leitete und das er zum künstlerisch und wirtschaftlich erfolgreichsten Sprechtheater Deutschlands machte. In Gesprächen mit seinem Nachfolger Ulrich Khuon und mit der Kritikerin Armgard Seegers, die der Film dokumentiert, wird dies überdeutlich. In der Hamburger Zeit, die Flimm als eine "sehr kreative Epoche" seines umtriebigen Lebens bezeichnet, sind einige der bedeutendsten seiner etwa hundert Inszenierungen entstanden - beispielsweise Tschechows "Onkel Vanja", Ibsens "Peer Gynt", Shakespeares "Hamlet" und "King Lear". Als Flimm das Thalia Theater im Jahre 2000 verließ - den Hamburger Wohnsitz hat er immer beibehalten - wollte er ein "freies, von administrativen Fängen und Fallen" losgelöstes Leben als Regisseur führen.
Er machte sich einen Namen als Opernregisseur. Das fiel umso leichter, als er im prominenten und erstklassigen Dirigenten Nikolaus Harnoncourt einen gleichgestimmten und ebenso eigenwilligen Partner fand, mit dem er im Verlauf der Jahre unter anderem einen vielbeachteten Zyklus mit Mozart-Opern herausbrachte. "Von ihm", sagt Flimm im Film, "habe ich alles über Musik gelernt". Ob Flimm nun Oper oder Schauspiel inszeniert - er verfällt kaum einmal dem modischen Trend der Profanisierung und Politisierung der Stoffe. Wobei Politik ihn durchaus interessiert. Ein Gespräch mit dem Exkanzler Gerhard Schröder - auch ein Freund der schönen Künste - belegt es.
Flimm legt größten Wert darauf, dass die Idee, ein Kulturstaatsministerium einzurichten, von ihm selber stammt. Der Aufforderung, das Amt auch zu übernehmen, wollte er jedoch nicht nachkommen. "Das Polit-Getue hat mich nie interessiert und außerdem hatte ich andere Pläne", sagt er. Als er nämlich die großen Bühnen der New Yorker Metropolitan Opera - das Porträt zeigt ihn dort als Regisseur der Oper "Salome" - der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper, der Berliner Staatsoper Unter den Linden und der Bayreuther Festspiele, diesen Bastionen konservativer Programmgestaltung, kennengelernt hatte, nahm er ein Angebot aus Nordrhein-Westfalen an und wurde Leiter der auf experimentelles Theater spezialisierten Ruhr-Triennale.
Dort kaum angekommen überraschte ihn das Angebot, Intendant der Salzburger Festspiele zu werden, "eine Position, die man nicht ausschlagen kann". 2011 läuft sein Vertrag aus. Dann dachte er noch bei den Filmaufnahmen, er werde er sich auf seinen Landsitz ins Kehdinger Land zurückziehen und Äpfel zählen oder ein Buch schreiben. Aber schon wartet ein neuer Posten auf ihn: Am 1. September 2010 übernimmt er die Leitung der Berliner Staatsoper Unter den Linden für eine Amtszeit von fünf Jahren. (arte)