Die Costa Compagnie recherchierte mit einer 360°-Kamera in Norwegen und im Irak und entwickelte in drei kurzen Probenphasen in Berlin zwischen November 2017 und Mai 2018 die Reihe Empire of Oil. Zum Abschluss der Trilogie rund um den globalpolitischen Brennpunkt Öl präsentiert sie neben der Premiere von Part 3 noch einmal alle drei Teile zusammen: Einen immersiven 360°-Dokumentarfilm (Part 1), eine medial-essayistische Textperformance (Part 2) und eine widerständigekstatische Choreographie (Part 3). Gerahmt wird die Serie von einer Virtual-Reality-Installation und hinterfragt unser Verhältnis zu Krieg und Konsum, Umwelt und Territorium. Bietet der allmächtige Rohstoff das Potential für eine vermeintlich sozialstaatliche Utopie wie in Norwegen, oder befördert es einen nicht endenden Kriegszustand wie im Irak? Gibt es eine Ästhetik des ölreichen Untergrunds, des Verborgenen? Und können wir das Öl-Zeitalter überleben? Beginnend mit Aufnahmen und Interviews aus Stavanger, Bergen, Kirkuk und Mossul führt die Gruppe die Besucher*innen durch die sich ergänzenden Medien und schafft auf ihrer Rundhorizont-Bühne eine Welt zwischen Dokumentation und Abstraktion.
Norwegen
1969 wurden mit dem Ekofisk-Feld die ersten Erdölvorkommen im Norwegischen Sektor der Nordsee entdeckt. Dieser Umstand machte aus dem strukturschwachen Land am Rande Europas binnen Jahren einen Global Player der Ölindustrie und bildete die Grundlage für den Norwegischen Sozialstaat. Der Nationale Ölfonds, der 1996 von der norwegischen Regierung eingerichtet wurde, und in den bis zu 90% der Ölgewinne direkt einfließen, ist heute der größte Staatsfonds der Welt: Auf jede*n der rund 5,3 Millionen Norweger*innen kommt rechnerisch ein Vermögensanteil von rund 193.000 US-Dollar. Laut ‚World Happiness Report‘ leben die glücklichsten Menschen der Welt in Norwegen. Rund 355.000 von ihnen haben sich 2016 einer Greenpeace- Klage gegen die norwegische Regierung angeschlossen, nachdem diese Konzessionen für neue Ölbohrungen in den arktischen Gebieten vergeben hatte. Im Januar 2018 wies das Gericht in Oslo die Klage mit der Begründung ab, dass die Förderung jenseits der norwegischen Landesgrenzen das Klimaschutzabkommen von Paris nicht verletze. Der Gesamtstrombedarf Norwegens wird heute bereits zu 98% aus erneuerbaren Energien gedeckt. Und auch das Norwegian Petroleum Directorate, welches den Fond verwaltet, hat beschlossen, künftig nicht mehr in internationale Ölfirmen zu investieren.
Autonome Region Kurdistan / Irak
1927 wurde das Ölfeld von Kirkuk im Nordirak entdeckt. Es hat eines der weltweit größten Erdölvorkommen und ist ein sogenannter Supergigant mit einer ursprünglichen Menge von 38 Milliarden Barrel Öl. Die kurdische Minderheit im Irak, die unter Saddam Hussein Ende der 1980er Jahre einen Genozid erlitt und im 20. Jahrhundert an mehreren Versuchen einer kurdischen Staatsgründung scheiterte, etablierte 1991 im Norden des Irak die Autonome Region Kurdistan mit der Hauptstadt Erbil. Das Ölfeld von Kirkuk liegt zu großen Teilen auf kurdischem Gebiet. Im Mai 2014, nachdem sich die irakische Armee vor dem vorrückenden, sogenannten „Islamischen Staat“ zurückgezogen hatte, übernahm die kurdische Regierung die Kontrolle über das gigantische Feld und begann den Direktexport von Erdöl über eine eigene Pipeline in die Türkei. Damit stieg die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Unabhängigkeit von der irakischen Zentralregierung. Am 25. September 2017 fand zeitgleich zur Recherche der Costa Compagnie in Kurdistan das jüngste Referendum der Autonomen Region Kurdistan statt, bei dem 92% der Kurd*innen für die Unabhängigkeit stimmten. Das Ergebnis des Referendums wurde von der irakischen Regierung und der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt. In der Folge wurde der internationale Luftverkehr nach Erbil untersagt und die irakische Armee nahm, mit Unterstützung der Hashd-al-Shaabi-Milizen, die Gebiete um Kirkuk nach kurzen bewaffneten Auseinandersetzungen mit den kurdischen Peshmerga erneut unter Kontrolle.
Im Januar 2018 startete die Türkei die‚ Operation Olivenzweig‘ im nordsyrischen Afrin, um gegen die kurdische YPG-Miliz vorzugehen – wie die Peshmerga einen der Verbündeten des Westens im Kampf gegen den IS. Offizielle Kritik an der türkischen Militäroffensive gab es bislang allerdings noch nicht.
// CAST //
Künstlerische Leitung, Recherche, Text, Kamera, VR: Felix Meyer-Christian
Choreographie, Video: Jascha Viehstädt
Performance, Tanz: Julia B. Laperrière, Lea Martini
Voice-Over: Hauke Heumann, Felix Meyer-Christian, Maria Walser
Gesang: Inger Lindsjørn Nordvik
Buzuq: Mevan Younes
Bühne, Kostüme: Zahava Rodrigo, Nicole Nowak
Projection Mapping, VR, Video: Erik Kundt
Komposition, Soundart: Marcus Thomas
Dramaturgie: Caroline Erdmann
Kamera: Stefan Haehnel
Fixer Irak: Repak Dawdi, Hana Quader
Video: Michail Rybakov
Video-Support: René Liebert
Video-Cutter: Ana Catalá,Timothy Justin Lalonde, Stéphanie Morin, Miguel Murrieta Vásquez, Karo Serafin
Grafik: Fanny Wühr
Dramaturgieassistenz: Lena Mallmann
Produktionsassistenz: Nicole Nowak
Support: Doaa Ahmed
Konzept: Felix Meyer-Christian, Zahava Rodrigo
Die Costa Compagnie aus Berlin und Hamburg wurde von Felix Meyer-Christian als offene Kollaboration interdisziplinär arbeitender Künstler*innen gegründet. Die Arbeiten vereinen dokumentarische, performative und choreographische Methoden und fokussieren sich dabei auf globale Transformationsprozesse und die Frage nach dem Menschen darin.
www.costacompagnie.org
// PRODUKTION //
Eine Produktion von Costa Compagnie in Kooperation mit dem Ballhaus Ost.
Gefördert durch die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa, Spartenoffene Förderung.
Mit freundlicher Unterstützung durch das Goethe Institut Irak, Verbindungsbüro Erbil, und Optoma Deutschland.
VR-Installation in Kooperation mit INVR.SPACE Berlin.
[msb]