Obwohl das Prinzip des Verschwimmens - "Blur" - schon durch Leonardo da Vincis Sfumato-Technik in die europäische Malerei einzog, ist es erst seit Gehard Richter (in dessen Werk die Phänomene des Nicht-im-Fokus-Seins und der trüben Bilder eine so dominante Rolle einnehmen), dass die verschwommene Oberfläche zu einem der zentralen Motive sowohl in der bildlichen wie abstrakten Malerei, als auch der Fotografie und der heutigen postfotografischen Kunst wurde. Künstler*innen nutzen die Bedeutung des bewussten Verschwimmens in unterschiedlichen Kombinationen und verschiedenen konzeptuellen und technischen Strategien. Verschwommene Oberflächen, sich auflösende Konturen, trübe Erscheinungen, undefinierbare Motive zwischen Auftauchen und Verschwinden, chaotische Ansammlungen und eine konstante Überdosis von gleichermaßen bedeutenden und unbedeutenden Details, zerstreute Visionen und Bedeutungen sowie Aspekte von Farbe und Komposition, die in den Vordergrund rücken – mit all diesen Gestaltungsvarianten im Kopf sind wir auf die Bühne getreten, um die Möglichkeit des "Verschwimmens" im Kontext von Körper und Choreographie zu untersuchen. Die Recherche für das Solo haben wir gemeinsam mit Künstler*innen verschiedener Disziplinen entwickelt. Gemeinsam suchten wir nach einer Übersetzung von "Verschwimmen/Blur" auf allen Ebenen der Bühnenperformance. "Verschwommen/blurred" haben wir wörtlich als etwas, das außer Form geraten ist oder nicht in seiner Form bleiben kann, verstanden. Metaphorisch gesehen aber haben wir es als eine visuelle oder physikalische Repräsentation eines emotionalen und mentalen Zustands verstanden, in dem sich uns zuvor anerkannte und allgemein akzeptierte Bezugspunkte entziehen und wir sowohl auf mikrologischer wie makrologischer Ebene die fragmentierte Realität aus allerlei möglichen Daten, der wir konstant ausgesetzt sind, nur noch als Lärm und Echo von Ideen und Ideologien wahrnehmen können. "blur" ist ein neues Kapitel von "Exercises in Looking" - einer Praxis, die von einem hopperesken Trio ins Leben gerufen wurde. Entstanden aus dem Interesse für zeitgenössische Malerei und (Post-) Fotografie und inspiriert von deren Theorien und Strategien, suchen wir im Stück nach der Möglichkeit, den Blick im Kontext von Bühne und Performance neu zu definieren. // CAST & PRODUKTION // Konzept und Gestaltung: Joanna Leśnierowska Performance: Aleksandra Borys Bühne und Kostüm: Michiel Keuper Licht: Joanna Leśnierowska (in Anlehnung an Jan Maertens) Sound und technische Umsetzung: Łukasz Kędzierski Stimmcoaching: Katarzyna Sitarz Graphik: Michał Łuczak Produktion: Joanna Leśnierowska Koproduktion: Art Stations Foundation by Grażyna Kulczyk Unterstützt durch: wpZimmer Antwerp, Visegrad Artist Residency Program for Performing Arts (VARP-PA) [msb]
http://www.tanzforumberlin.de/produktion/blur/ [Stand 2017-10-23]