INTERNATIONALES THEATERINSTITUT / MIME CENTRUM BERLIN

MEDIATHEK

FÜR TANZ

UND THEATER

MCB-DV-7637

Wozzeck-Reflexe

Beschreibung

„Wie ein Kreisel dreht sich der Wahnsinnige, ist Kobold, Affenmensch, Krüppel und Hampelmann zugleich: Mario Perricone tanzt Wozzeck, Büchners Anti-Helden.


Die Staatsoper präsentiert seit Montag ihre ‚Wozzeck-Reflexe‘. Drei Ballett-Uraufführungen, choreographiert von Helge Musial, Maryse Delente und Jorma Uotinen, gibt es im Paket, außerdem eine Auftragskomposition des erst 23jährigen Matthias Pintscher.

Aufführungsort ist die Parochialkirche mit ihrem eigentümlich rohen Charakter. Zu den sechs Sätzen der ‚Lyrischen Suite‘ Alban Bergs verbindet Choreograph Helge Musial (Tanzfabrik Berlin) die moderne Tanzsprache der ‚Contact Improvisation‘ mit dem klassischen Ballett. Harmonische Bewegungsfolgen werden in ‚Sechs Tänze‘ aufgerauht durch Kanten und Brüche, die Spannung erzeugen. Etwa im ‚Largo Desolato‘, dem letzten Satz: Vorne an der Rampe wird ein sinnlicher Pas de deux getanzt. Hinten, an die Wand gedrängt, setzt Helge Musial, diesmal als Tänzer, zackige, ungestüme Gesten dagegen. Wozzeck nach dem Mord. Verzweifelt will er den Traum von glücklicher Liebe aus seinem Kopf hämmern, den er für, zerstört hat. Auf Musials offenes Werk folgt MaryseDelentes strenge Choreographie ‚Maries Zimmer‘, die durch Klarheit und Präzision besticht. Doch das Corps de Ballett illustriert lediglich die für Richard Wagner untypisch liebliche Klaviersonate. Und ohne Klasse-Tänzer Mario Perricone wäre diese Arbeit nur vordergründig. Matthias Pintschers ‚Gesprungene Glocken‘ füllen das Kirchen-Gewölbe nach der Pause. Kann Jorma Uotinen diesem gewaltigen musikalischen Paukenschlag in ‚Marie, Er und Ich‘ Paroli bieten? Vom Wahnsinn gepackt treibt Wozzeck sein Beil in einen Holzklotz. Tänzer in Militärmänteln erzeugen eine bedrohliche Stimmung, Leib an Leib gedrängt zucken die Kreaturen zusammen. Reißen ihre Köpfe panisch hin und her. Uotinen zeigt Szenen des Schrekkens, aber auch Frauen, die mit der Kraft ihrer Jugend gegen die Gewalt der Welt rebellieren. So wie Marie (Bettina Thiel) die Sinnlichkeit bis zum letzten Tropfen auskosten will. Kein anderes Werk des Abends ist annähernd so komplex und packend wie ‚Marie, Er und Ich‘. Und doch: Alle drei ‚Wozzeck-Reflexe‘ begeistern durch ihre choreographische Vielfalt und den Ausdruck der Tänzer. Ein einmaliges Tanzerlebnis! Die Staatsoper ist mit der Pflege der Klassiker einerseits und dem Wagnis von Experimenten andererseits auf dem richtigen Weg.“

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http://www.berliner-zeitung.de/archiv/-wozzeck-reflexe--in-der-parochialkirche-aus-dem-kopf-gehaemmert,10810590,8829298.html [Zugriff am 27.03.2015]
Choreographie
Darsteller
Standorte
MCB
Aufnahmedatum
Sonntag, 24. April 1994
Orte
Stadt
Berlin
Land
Deutschland
Länge
107 min