Ursprünglich hätte das Stück «Setz dich hin und lächle» heißen sollen. Doch der Titel «Kontakthof», so die Entscheidung von Pina Bausch im Jahre 1978, trifft das Sache besser: eine Einübung in das Leben zu zweit im Form eines Tanzkurses, bei dem sich die Geschlechter zum ersten Mal wirklich begegnen. Bevor es dazu allerdings kommt, heißt es erst einmal sich in aller Öffentlichkeit einzuschätzen, anders gesagt: sich zu «verkaufen». Während eine Stimme aus dem Off noch den «Frühling» und den «Sonnenschein» beschwört, treten nacheinander all jede an die Rampe, die zunächst noch steif und unbequem auf einer Stuhlreihe im Bühnenhintergrund sitzen: Damen in bunten Kleidern der fünfziger Jahre und Herren, entsprechend angezogen, die sich drei Stunden lang als Stellvertreter gebärden. Stellvertreter eines Publikums, das sich möglicherweise verklärend seiner vergangenen Tanzstundenzeit erinnert, sich aber mehr und mehr konfrontiert sieht mit dem eigenen, nicht unbedingt erfreulichen Leben. Denn bei dem Einander-Taxieren des Anfangs bleibt es nicht. Schritt um Schritt entwickelt sich der «Kontakthof» vielmehr zu einem Ort, an dem nicht durchweg Liebe und Sehnsucht gegeneinander abgewogen werden, sondern an dem sich Geschlechterkämpfe und Grausamkeiten abspielen, von denen die Gesellschaft für gewöhnlich nichts wissen will. Und doch sind es gerade diese Schwierigkeiten, die im Theater verhandelt gehören, und Pina Bausch verhandelt sie unbeschönigt, ehrlich und gleichzeitig auf so berührende Weise, dass dem Zuschauer bisweilen auch die Tränen kommen. Die Haare stehen ihm am Ende aller Kontaktversuche womöglich ohnehin zu Berge.
[efr] [ Programmheft]