”Orientation is the process of becoming intimate with where one is.“ (Sarah Ahmed)
„On Orientations / Untimely Encounters“ ist Teil einer Serie von Performances, in
der sich An Kaler gemeinsam mit eingeladenen Künstler_Innen mit Konzepten von
Orientierung beschäftigt. Die Idee der Orientierung öffnet sich dabei hin zur Berührung:
hin zu einer Berührung, die ohne physischen Kontakt entsteht, die eine Intention oder
Grundhaltung untersucht, bevor es zur tatsächlichen Berührung kommt. Anschließend
an eine erste Edition, die von dem liegenden Körper und dem Kontakt zum Boden
ausging, ist die Aufmerksamkeit des neuen Stücks auf verschiedenen Zonen des
Aufgerichtetseins ausgerichtet. Dabei setzt sich An Kaler mit der Prozesshaftigkeit
von Choreografie auseinander; das Stück ist als solches ’unabgeschlossen‘ und
über ein Set an möglichen Posituren, Bewegungsabläufen und Raumwegen mit jeder
Aufführung erneut in Verhandlung. Licht, Raum, Sound und Körper bilden Koalitionen
und formen Parallelbewegungen, die sich in der und durch die Wahrnehmung des
Publikums verschränken.
Bereits in vorangegangenen Arbeiten entwickelte An Kaler eine physische und kreative
Praxis, die sich mit Dimensionen, Haltungen und Annäherungen als flexible Strukturen
choreographischen Schreibens in Echtzeit befasst. In „On Orientations / Untimely
Encounters“ werden in einem nächsten Schritt Nähe- und Distanzverhältnisse sowie
Situationen der Kontaktaufnahme und des Ausverhandelns genauer untersucht.
„On Orientations / Untimely Encounters“ arbeitete mit zwei wesentlichen Ansätzen:
Zum einen generiert die von An Kaler entwickelte Performance für und im Austausch
mit jede_n Performer_In ein spezifisches, idiosynkratisches Bewegungsmaterial, das
sich an den Bedingungen der tänzerischen Praxis orientiert und gleichzeitig einen
persönlichen Zugang zu dieser aufzeigt. Die Untersuchung gilt den Strategien und
Rahmenbedingungen für Entscheidungen / Choreografie in Echt-Zeit und resultiert in
einer Aufführungssituation, die folglich immer unterschiedliche und jeweils einzigartige
Konstellationen hervorbringt.
Ein weiterer Fokus gilt den Themen Raum-Installation und der Bezug oder das
entstehende Verhältnis zur physischen Praxis: Ortsspezifisch angelegt, adressiert,
kontrastiert oder unterstützt die Performance die je eigenen Charakteristika
des Raumes, in dem sie stattfindet. Dies wird durch eine Lichtdramaturgie
komplementiert, die eine ausgeprägte Erfahrung von Zeitlichkeit in der Wahrnehmung
von Räumlichkeiten und Körperlichkeiten unterstützt. Die daraus entstehende
Untersuchung körperlicher Präsenz widmet sich der Annäherung und Bewegung, dem
physischen Kontakt als kontinuierlichen Prozess des Ausverhandelns, möglichen
Kontrollverlusten, sowie der Be- und Entschleunigung. An der Schnittstelle von
Bild und Bewegung geht es um ein Verhandeln gängiger Repräsentationspraxen im
zeitgenössischen Tanz-Kontext und darüber hinaus, um so einen Möglichkeitsraum für
reflexive Seh- und Wahrnehmungsmodi zu öffnen.
Text: Krassimira Kruschkova
An Kaler & Myriam Lebreton