OTHELLO
Ballett nach William Shakespeare / Musiktheater - Aufführung der Hamburgischen Staatsoper mit Gidon Kremer und Tatjana Grindenko.
Neumeiers "Othello" ist ebenso intelligent wie sinnlich, ebenso kühn wie kraftvoll: intelligent in der tänzerischen Nachzeichnung der Psychologie des Dramas, sinnlich in der präsenten Physikalität und Sexualität der Choreographie, kühn in den bewusst gesetzten stilistisch-ästhetischen Brechungen, Facetten und Uneinheitlichkeiten des dramaturgischen Gesamtkonzepts, kraftvoll in der Beschwörung seiner Stimmungen und Atmosphären wie der Bühnenausstrahlung seiner Tänzer. Der Mord und Selbstmord am Ende schwingt aus in ein extremes Adagio-Ritual, das an die unendliche Todeslandschaft des Adagio lamentoso von Tschaikowskys "Pathétique" erinnert. Am 24. August 1987 fand in der Hamburger Kampnagelfabrik eine Ballettvorstellung statt, die nicht nur als Theaterereignis, sondern auch als Fernsehaufzeichnung zu so etwas wie einer Sternstunde des Bühnentanzes wurde: das speziell für den Spielort Kampnagelfabrik geschaffene Shakespeare-Ballett "Othello" von John Neumeier, getanzt von John Neumeiers Hamburger Kompagnie. Neumeier hat bereits zuvor "Romeo und Julia", "Hamlet", "Ein Sommernachtstraum" und "Wie es Euch gefällt" mit Erfolg choreographiert und ist nicht nur deshalb Experte in Sachen Shakespeare. Zur Sternstunde wurde die Aufzeichnung nicht allein wegen der überragenden tänzerischen und darstellerischen Leistungen der Ballett-Solisten Gamal Gouda (Othello), Gigi Hyatt (Desdemona) und Max Midinet (Jago), der an diesem Abend übrigens als Tänzer seine Abschiedsvorstellung gab, sondern auch wegen eines "Begleitumstands", der für den Bühnentanz sicherlich außergewöhnlich war; zwei internationale Stargeiger musizieren live fürs Ballett: Gidon Kremer und seine erste Frau Tatjana Grindenko spielten zusammen die für sie selbst ursprünglich auch komponierten Stücke "Concerto Grosso Nr. 1" von Alfred Schnittke und "Tabula rasa" von Arvo Pärt. Die beiden Konzertwerke bilden das musikalische Zentrum von Neumeiers zweiaktigem Ballett.
(Quelle: prisma-online.de)
Gamal Gouda, Gigi Hyatt, Max Midinet, Gabrielle Günthard, Anders Hellström, Eduardo Bertini, Rena Robinson, Ralf Dörnen, Stefanie Arndt, Hamburger Ballett, Philh. Staatsorchester Hamburg