Die Vorstellung "There is Time" von Dan Pelleg und Marko Weigert untersucht umfassend und nicht ohne Humor eine so schwer fassbare Sache wie die Zeit und schafft es in genau einer Stunde. Im Stück zeigen Menschen in grauen Dreiteilern und Melonen wie ein gut justierter Mechanismus des menschlichen Körpers funktioniert. Untergebracht in einer langen Kombination präsentieren sich alle Entwicklungsstadien der Bewegung in der deep level-Technik ' diesem akrobatischsten und energischsten der Stile, den einheimische Choreographen so sehr lieben. Nur sehen all diese Saltos, Spagate, Schlangen und Brücken bei den Deutschen ganz anders aus: Ihre Sportlichkeit schreckt ein wenig zurück vor den Nuancen der Ausführung und der strengen Logik der Verfahrensanwendung. Die visuelle Gestalt der Uhr wird in kreisförmiger Inszenierung wiedergegeben. Gleich einem schnellen Zeiger umkreist ein Tänzer die Bühne, während die anderen in eng verflochtenen Bewegungen wie Federn und Zahnräder im Zentrum der Bühne die Sekunden herunterticken. Als lebende Pendel schwingt ein Paar an Seilen am Dekorationsgerüst. Eine Metapher jagt die andere: Eine junge Frau verschwendet Zeit unter einem löchrigen Sandsack indem sie eine Sanddusche nimmt; Tänzer verlieren sich scheinbar in der Zeit und verheddern sich in einem Spinnweben aus roten Seilen, um gleich darauf eine Zeitpause zu verkünden und das Publikum mit belegten Broten und Limonade zu verköstigen.Schwarzweißvideos ergänzen die choreographischen Untersuchungen: Ein Straßenverkäufer verkauft Bündel von „Zeit-Geld“, schwere Brocken von „Arbeitszeit“, Blasen von „Freizeit“ und Spezialmesser zum „Zeittöten“. Ein Bücherwurm bietet eine zum Totlachen lustige Vorlesung über „Quantenfluktuation“ und rückwärts fließende Zeit, und ein etwas gereizter Typ hält einem wegfliegendem Ballon, als wäre es seine Frau, eine Standpauke wegen zu leichtsinnigem Umgang mit Zeit. Auf die Erde geholt werden die Zuschauer durch das Tanzfinale, in dem das Pochen der Zeit mit Tempo und Rhythmus zum Ausdruck kommt: Von fieberhaftem Zucken schneller Bewegungen bis hin zur völligen Bewegungslosigkeit, die mit dem Fallen des letzten Sandkorns in der Sanduhr eintritt, die demonstrativ auf der Vorbühne aufgestellt wurde. Die junge deutsche Truppe, die weder über ein eigenes Studio, noch über reiche Sponsoren oder Staatssubventionen verfügt, macht eine ausgezeichnete Vorstellung, die sich deutlich von Leistungen weitaus besser gestellter Truppen abhebt.
Unter gleicher Signatur ebenfalls im Archiv die Fassung aus dem Jahr 2005.
Nora Hageneier, Kathinka Sonneborn / Tina McErvale, Anne Schmidt / Jennifer Mann Pahlke / Laura Keil / Mayra Wallraff, Dan Pelleg, Marko E. Weigert