Choreografische Installation nach Unica Zürn.
Bewegungslose Stille: Sie sitzen, sie stehen, sie gehen und sie liegen, aber meistens verharren sie. Nur der Atem unterscheidet sie von einem Tableau. Und dann, nach einer Weile, bewegen sie sich, ändern die Formation. Stille. Nichts passiert. Ein neues Bild ist entstanden. Stille. Und plötzlich erinnert SIE sich: „In jedem Leben gibt es etwas, das ungelebt bleibt wie in jedem Wort etwas ist, das unausdrücklich bleibt.“ Die Worte tröpfeln, als gehörten sie nicht zusammen. Kein Reim, kein Vers, kein Ende, kein Sinn. Sie sind Gebärde, ein möglicher Ausdruck des Unübersetzbaren in ihrem Selbst. Im nächsten Augenblick liegt ein neues Bild. Die Sprödheit der Worte und die Langsamkeit der Bewegung formieren sich: Das Ungesagte begleitet das Ungelebte. Eine menschliche Plastik, eine atmende Skulptur und Worte, hauchzart, bewegen sich gemeinsam. Sie bilden Ornamente und Arabesken. Zusammen kreieren sie ein Leben wie hinter Glas, ausgestellt und von allen Seiten einsehbar. Das Leben ist eine Miniatur in Bewegung, immer ganz nah an der Berührung. Das Leben, das die Worte begehren und das in diesen Bewegungen aufleuchtet, weiß nichts um die Frist seines Daseins. Vergänglichkeit feiert hier die endlose Modifikation. In diesem Augenblick meinen wir zu verstehen, aber dann denkt SIE an einen Satz, den sie irgendwo gelesen hatte: „Es ist notwenig, bewegungslos zu bleiben in der Anbetung. Das Nichthandeln zum Gesetz zu machen.“
In DISTANZ 1:02 erweitert Reulecke seinen Kosmos der mikroskopischen Bewegungsstudien um die Ausdrucksvariants der Rede. Körper und Sprache werden zur Spielfläche extremster Verlangsamung und Zerdehnung. (Quelle: HAU-Archiv)
Kazue Ikeda, Clint Lutes, Anna Melnikova, Peter Pleyer, Ingo Reulecke, Britta Schönbrunn, Arthur Stäldi, Miriam Kohler