Was macht die Zeit mit unseren Träumen, Bedürfnissen, Verlusten? Welche Kapitel werden neu-, um-, fortgeschrieben, welche gelöscht?
„Come as you are # teil 2“ ist die Fortsetzung einer laufenden Recherche zur Kulturanpassung syrischer Tänzer in der deutschen Tanzperformance-Landschaft, fünf Jahre nach ihrer Ankunft.
Im Sommer 2017 hatte der israelische Choreograph Nir de Volff zusammen mit drei aus Syrien geflüchteten Tänzern die Performance „Come as you are # Berlin“realisiert. Ein grundlegend anderer Tanzstil, das aus Syrien in ihren Körpern mitgereiste Bewegungsrepertoire, wurde sichtbar und ihre ersten, tastenden Schritte, sich der Grammatik der Berliner Tanzszene anzunähern. In persönlichen Monologen und Soli, stark improvisierend, teilten sie ihre Kämpfe, Albträume und Ängste, ihr Gefühl der Entfremdung, ihre Hoffnungen und Träume.
Zum ersten Mal wurde die Öffentlichkeit auf den kulturellen Hintergrund aufmerksam, den die Geflüchtetenmitgebracht hatten. „Come as you are # Berlin“ war auch die Premiere einer Zusammenarbeit von israelischen mit syrischen Künstlern. Mehrfache Wiederaufnahmen in Berlin folgten, das Stück tourte durch Deutschland und international.
Wo stehen die Protagonisten jetzt, was ist geschehen seither?
Zwei der drei Tänzer aus 2017, Medhat Aldaabal und Mouafak Aldoabl, sind weiter dabei, der dritte, Amr Karkout, hat, wie Nir de Volff es formuliert, „ein anderes Kapitel aufgeschlagen“. Haidar Darvish kommt als Gast hinzu.
Fünf Jahre nach der Ankunft der Geflüchteten in Deutschland und drei Jahre nach dem Aufbruch in ein Berliner, ein europäisches Künstlerleben stellen sich in „Come as you are # teil 2“ neue, nicht weniger komplizierte Fragen. Aus dem Tasten und Suchen ist Erfahrung und Reflexion geworden, auch im künstlerischen Handeln.
Können die Tänzer die mitgebrachte Geschichte ihres Körpers löschen und neu starten, eine neue Identität aufbauen, um sich zu integrieren? Wollen sie das? Oder entdecken sie womöglich eine stärkere Verbindung zu den Ursprüngen ihrer Identität, ihrem Erbe? Wie bestimmt die Distanz zu den in ihrer Heimat getanzten Stilen mit grundlegenden kulturellen Unterschieden ihre Position als Performer innerhalb der vielfältigen, komplexen europäisch-Berliner Gesellschaft? Betrachten sie sich selbst, fünf Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland, immer noch als Geflüchtete? Betrachtet unsere Gesellschaft sie immer noch diffus als Geflüchtete oder entsteht die Wahrnehmung einer individuellen, selbstwirksamen Person? Fangen sie selbst an, sich als deutsche Künstler zu fühlen oder ist ihre Identitätsdefinition weiter syrisch? Gibt es ein Zugehörigkeitsgefühl zu dem neuen Land?
„Come as you are # teil 2“ ist ein weiterer Zwischenschritt. Nir de Volffs Choreografie gibt dem inneren Kampf seiner Tänzer zwischen Identitäten und Realitäten, dem Ringen um ihr Selbst, Raum und Gestalt. Welches Ergebnis das haben kann, sowohl für die Künstler als auch für das Publikum, muss und soll dabei offen bleiben. In jedem Fall aber ist „Come as you are“- „Komm so wie Du bist“ eine zutiefst menschliche Verheißung.
[Quelle: PR-Info]
Produktionsleitung: Till Rothmund & Jill Emerson
Kommunikation: k3 berlin
[doz]
https://www.tanzforumberlin.de/produktion/come-as-you-are-teil-2/ (29.07.2021)