Tanz als politisches Experimentierfeld: Als Mütter und Frauen of Colour hinterfragen zwei Tänzerinnen, wie sich Machtstrukturen in ihre Körper eingeschrieben haben und welche Formen der Bewegung in ihnen überhaupt möglich sind. Sie kanalisieren ikonische und persönliche Gesten des politischen Widerstands, stellen jedoch nicht die eigentlichen Gesten ins Zentrum ihrer tänzerischen Arbeit, sondern die Bewegungen, die sie einleiten und verbinden. Die entstehende Unlesbarkeit erweckt die Formen selbst zum Akt des Widerstands.
VERWURZELT IN FREUNDSCHAFT UND ALLIANZ, wird One hundred more gemeinsam von Laurie Young und Justine A. Chambers verfasst und in Zusammenarbeit mit Emese Csornai, Neda Sanai und Sarah Doucet entwickelt. Diese Arbeit wird dringlich durch unser gegenwärtiges gesellschaftspolitisches Klima beeinflusst, das eine immer größere Vielfalt von rassifizierten und marginaisierten Körpern hervorgebracht hat, die sich widersetzen, sich in kollektiver Wut, Aufruhr und Gegenwehr bewegen, gefangen genommen und in einem endlosen Strom von Bildern wiedergegeben werden. Durch zunehmende und wiederholende Aktionen wird eine ikonische Geste des politischen Widerstands zum Ort, an dem alltägliche physische Strategien des Widerstands durch zwei women of colour untergebracht und verkörpert werden. Das gestische Vokabular dieses Werkes ist gleichzeitig archivarisch und emergent, so dass die Vorstellung der kleinen Geste, wie sie von Erin Manning artikuliert wurde, Handlung und Struktur bestimmen kann.
„The major is a structural tendency that organizes itself according to predetermined definitions of value. The minor is a force that courses through it, unmorring its structural integrity, problematizing its normative standards“. (Erin Manning, The Minor Gesture)
Durch das Auftauchen der „minor gesture“ aus der rhythmischen Wiederholung berufen sich Young und Chambers auf das Unlesbare und mit den Worten von Édouard Glissant auf das „Recht auf Undurchsichtigkeit“.
// Credits //
KONZEPT, CHOREOGRAFIE, PERFORMANCE: Laurie Young, Justine A. Chambers LICHTDESIGN: Emese Csornai
KOMPOSITION, SOUNDDESIGN: Neda Sanai
KOSTÜMDESIGN: Sarah Doucet
KÜNSTLERISCHE UNTERSTÜTZUNG: Josh Hite
PROBENLEITUNG Sarah Doucet, Sergiu Mathis
PRODUKTION: M.i.C.A. (Movement in Contemporary Art)
DANK AN: Bruno Pocheron, Kemi Craig, Lee Su-Feh, Grayson Millwood, Walter Freitag, Jared Gradinger, Ligia Lewis, Margret Nisch/Embassy of Canada
Eine Produktion von Laurie Young und Justine Chambers in Koproduktion mit National Arts Centre, Agora de la danse – Montreal und SOPHIENSÆLE.
Gefördert von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa und dem Canada Council for the Arts. Mit Unterstützung von Dance Victoria, BC Arts Council und dem Goethe-Institut.
// Autor_innen //
JUSTINE A. CHAMBERS ist eine Tanzkünstlerin, die auf dem Territorium der Coast Salish lebt und arbeitet, welches Nationen wir den Quamish, Musqueam und Tsleil-Waututh nicht zurück überlassen worden sind. Ihre bewegungsbasierte Praxis untersucht, wie Choreografie eine empathische Praxis sein kann, die in der kollaborativen Gestaltung, der genauen Beobachtung und dem Körper als Ort eines kumulativ verkörperten Archivs verwurzelt ist. Sie privilegiert das Gefühl gegenüber dem Gesehenen und arbeitet mit Tänzen, die bereits vorhanden sind – die sozialen Choreografien, des Alltags. Sie ist die Mutter von Max Tyler-Hite.
LAURIE YOUNG ist eine Choreografin und Tänzerin, deren Arbeit sich auf die Verkörperung nicht autorisierter Geschichten und deren Repräsentation konzentriert. In ihren Arbeiten rückt die Choreografie die Beziehungen zwischen Menschen und zwischen anderen als menschlichen Wesen im Theater, Museum und in der Stadt in den Mittelpunkt. Laurie hat sich mit interdisziplinären Projekten zwischen Kunst und Wissenschaft beschäftigt und ist Fellow des Programms Arts and Science in Motion der Volkswagenstiftung.
[efr] [Abendzettel] https://justineachambers.com/