Welchen Stellenwert hatte Kreativität in einer Diktatur wie der DDR? Ausgehend von der Arbeit von Tänzern, Musikern und Künstlern verschiedener Sparten beschäftigt sich dieses Buch mit dem Diskurs des Schöpferischen in der DDR und seiner Verbindung mit der Etablierung eines seit den 1960er Jahren aktuell gewordenen performativen Kunstkanons. Fine Kwiatkowski, A.R. Penck, Lutz Dammbeck, Gret Palucca u.a.: Ihre Improvisationen und performativen Kunstinterventionen fanden zum Teil durchaus in institutionalisiertem Rahmen statt, wurden aber auch als Kritik am vorherrschenden System verstanden. Ob ihre Kunst als politische Kommunikation verstanden wurde, war kontextabhängig. Deshalb blickt diese Arbeit mit einem transnationalen Blick auch auf scheinbar kunstfremde Wissensfelder wie die Sozialwissenschaften und die Kybernetik. Dort etablierte sich jene Sprache, welche als Legitimationsmittel neuer und alten künstlerischer Praktiken zum Einsatz kam. Das überraschende Ergebnis ist: Das für den Kapitalismus heute als hegemonial geltende Leitbild des Kreativsubjekts hatte in der DDR sein sozialistisches Pendant.
https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/themen-entdecken/geschichte/zeitgeschichte-ab-1949/15831/das-kreativsubjekt-in-der-ddrVorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Eine Eingangsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Die Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Der Forschungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Teil 1 »KANON«
1. Der politisierte Diskurs um Kunst im Kalten Krieg . . . . . . . . . . 31
1.1. Verspätung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
1.2. Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
1.3. Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1.4. Abstraktion als Freiheit? Der Kunstkanon in Nachkriegsdeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
1.5. Freiheit vs. Befreiung: Ein prinzipielles Paradox der Aktionskunst? . . . . . . . . . . . . . . . .40
1.6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Teil 2 »MODERNE«
2. Bevor »Moderne« zum Stichwort wurde . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.1. Menschenbilder und Subjektkulturen: Ein terminologisches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.2. Über Rhythmus und Leistungssteigerung . . . . . . . . . . . . 50
2.3. Natürlichkeit statt Wahnsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.4. Paluccas Tanzart: Mänade oder verkörperte Raumstruktur? . . 60
2.4.1. Innere Objektivität und Paluccas Bewegungsforschung . 64
2.4.2. Intersubjektivität und Organisation . . . . . . . . . . . 67
2.5. Die Genese des sozialistischen Realismus . . . . . . . . . . . . 75
2.5.1. Expressionismusdebatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
2.5.2. Das Menschenbild des Realismus anhand internationaler Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
3. Moderne Vergangenheit nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.1. Der Tanzdiskurs und die moderne Vergangenheit. Fallbeispiel Ernst Bloch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
3.2. Grenzbegriff Tanz bei Ernst Bloch und bei Mary Wigman und die Kulturpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . 93
4. Die Funktion moderner Techniken nach 1945 und ihre Verselbständigung von der Bezeichnung modern . . . . . . . . . . . 99
4.1. Tanz zum Agitieren. Jean Weidt und Eva Winkler . . . . . . . . 100
4.2. Die Frage nach dem wirksamen Darsteller : Tanztheater und Pantomime . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.3. Tanztheater und Neuer Künstlerischer Tanz . . . . . . . . . . . 105
4.4. Pantomime oder Tanz? Welche Körpersprache ist universeller?. 114
4.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
5. Neue Theaterinstitutionen und ihre moderne Legitimation . . . . . . 123
5.1. Die Institutionalisierung des Performativen als Qualitätsmerkmal in der Kunst der DDR . . . 123
5.2. Das Pantomimentheater vom Prenzlauer Berg: eine Institution der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . 127
5.3. Pantomime und Volkstheater: Kube und Besson . . . . . . . . 132
5.4. Das Tanztheater von Tom Schilling und Manfred Schnelles Ausdruckstanz . . . . . . . . . . . . . . . . 137
5.4.1. Abraxas, 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
5.4.2. Manfred Schnelle: Ausdruckstänzer in den 1960er-Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
5.4.3. Ballett und Formalismus: Die Sieben Todsünden der Kleinbürger von Tom Schilling, 1963 . . . . 144
5.4.4. Manfred Schnelles Improvisationen und seine Auftrittsorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
5.4.5. Manfred Schnelles Tanz in den Kirchen . . . . . . . . . 149
5.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
6. Vom Verschwinden und Nicht-Verschwinden des modernen Tanzerbes . . . . . . . .. . . . . . . . . . . 155
6.1. Die Konjunktur des Rückblicks: der Erbediskurs und die damit zusammenhängenden Entwicklungen in der Kulturpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
6.2. Das moderne Tanzerbe: Veranstaltungen und Publikationen in den 1970er- und zu Anfang der 1980er-Jahre . . . . . . . . . . 160
6.3. Die konkrete Hinterlassenschaft und ihre institutionelle Verortung . . . . . . . . . 163
6.4. Das Tanztheater der Komischen Oper und sein modernes Erbe in den 1970er- und 1980er-Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Teil 3 »FREIHEIT UND STRUKTUR«
7. Das Lebensgefühl der 1960er-Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
7.1. Jazz nach dem Krieg und seine Politisierung . . . . . . . . . . 175
7.2. Dresdener Jazz: der Film »Drei von Vielen« von Jürgen Böttcher und seine Protagonisten . . . . . 178
7.3. Ralf Winkler (später A.R. Penck) zwischen Sozialistischem Realismus und Modernismus . . . . . 183
7.4. Die frühen 1960er-Jahre: das Lebensgefühl von »Fräulein Schmetterling« . . . . . . . . . .. . . . . . . 185
8. Die wissenschaftlich-technische Revolution . . . . . . . . . . . . . . 189
8.1. Winkler und die Kybernetik: Versuche offizieller Künstler zu werden . . . . . . . . . . . . . . 194
8.2. Das Menschenbild der wissenschaftlich-technischen Revolution . . . . . . . . . . . . . . 199
8.3. Menschenbild-Künstlerbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
8.4. Welcher Realismus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
8.5. Die Gefahr der Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
8.6. Überidentifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
9. Die schöpferische Persönlichkeit und die Improvisation . . . . . . . 219
9.1. Sozialistische, schöpferische Persönlichkeit . . . . . . . . . . . 221
9.2. Kranke und gesunde sozialistische Persönlichkeit . . . . . . . . 223
9.3. Musiktherapie – Bewegungstherapie und Psychotherapie und die Rolle der Improvisation . . . . . 227
9.4. Improvisation und Kreativitätsforschung . . . . . . . . . . . . 230
9.5. Konformität und Non-Konformität: Kreativitätsforschung . . . 233
9.6. Der institutionelle Rahmen für Kreativität und Kreativitätsforschung an den Hochschulen für Musik und Tanz: DDR-Improvisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
9.7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Teil 4 »VERSPÄTUNG«
10. Das hybride ästhetische Subjekt der Transformationszeit . . . . . . . 253
10.1. Eine methodologische Zwischenbemerkung . . . . . . . . . . . 256
10.2. FINE: Eine eigenwillige Künstlerin und ihr Umfeld . . . . . . . 261
10.2.1. Free Jazz: Eine Elitenmusik? . . . . . . . . . . . . . . . 267
10.2.2. Die Improvisationen der Gruppe FINE . . . . . . . . . . 271
10.2.3. Die Bewegungsimprovisationen anderer Tänzer und Pantomimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
10.2.4. Umfeld Pantomime: Das Pantomimentheater vom PB, Thai Chi und Ausdruckstanz . . . .. . . 276
10.2.5. Umfeld Neue Musik: Intermediale Projekte in Dresden ... 282
10.2.6. Umfeld Bildende Kunst: ein Milieu unter Beobachtung und seine Musik . . . . . . . . . . .294
10.3. Fine: Die Kunstfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
10.4. FINE heißt W(Ende): Die Ausstellung Fine in der Galerie EIGEN+ART . . . . . . . . . . . . . 328
10.5. Umfeld Aktionskunst: 1989 die Galerie Weißer Elefant . . . . . 331
11. Lutz Dammbeck und die Westdeutschen auf der Suche nach der DDR-Avantgarde . . . . . . . . 337
11.1. Lutz Dammbeck und sein künstlerischer Ansatz . . . . . . . . 341
11.2. Das Werden des Herakles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
11.3. Die Rezeption des Romans »Die Ästhetik des Widerstands« und die Auseinandersetzung mit der Figur des Helden . . . . . 354
11.4. Held Herakles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
12. Generationskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
12.1. Die Werkstätten der jungen Theaterschaffenden als Austragungsort eines Generationskonfliktes . . . . . . . . . . . 384
12.2. Wandel der Bedeutung moderner Tradition als Argument in den 1980er Jahren . . . . . . . . . . 385
12.3. Transnationaler Austausch und Ost-West-Parallele in der Deutung moderner Tradition in den 1980er Jahren . . . . . . . 387
12.4. Pina Bausch in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
12.5. Themen eines Generationskonfliktes . . . . . . . . . . . . . . . 399
12.6. Die III. Werkstatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
12.7. Ungeduld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
13. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428
Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451