INTERNATIONALES THEATERINSTITUT / MIME CENTRUM BERLIN

MEDIATHEK

FÜR TANZ

UND THEATER

MCB-TV-1594

Hedda Gabler

Autorenschaft
Beschreibung
Inszenierung Thomas Ostermeier, Schaubühne BERLIN 2002, Fernsehfassung 2005 TV - Regie Hannes Rossacher. Der Zdf Theaterkanal schreibt dazu: Frauen die mit Pistolen und Männern spielen auf den Tod, denen muss langweilig sein ' oder noch etwas viel Schlimmeres. Im Ibsen und Freud Jahr 2006 bietet Thomas Ostermeiers „Hedda Gabler“-Inszenierung beides: Die Ibsen-Variante von Langeweile und Freuds böse Ahnung, es könnte alles noch viel schwieriger sein als bloße Ablehnung bürgerlich konventioneller Werte. Mit dem Gesicht eines eiskalten Engels und blechernem Stimmchen zeichnet Katharina Schüttler die Titelheldin mit undurchdringlicher Kühle, einer schnippisch-ungerührten, fast autistischen Gleichmütigkeit und zieht zugleich faszinierend lässig die Strippen. Heddas Lebensplan zerrinnt im schicken Bungalow zwischen Beton und Glas. Gegen ihre Neigung hat Hedda sich mit dem aufstrebenden Historiker J¸rgen Tesman für ein Leben nach bürgerlichen Prinzipien entschieden. Ihre eigentliche Liebe, Eilert L¸vborg, der in dubiosen Clubs seinen glänzenden Intellekt mit Drogen betäubte, bot finanziell und gesellschaftlich keine aussichtsreiche Perspektive. Als Hedda ernüchtert aus den Flitterwochen zurückkehrt, erfasst sie, dass L¸vborg unterdessen solide geworden ist und ein Aufsehen erregendes kulturgeschichtliches Buch geschrieben hat. Tesmans einst aussichtsreiche Berufung zum Professor erscheint damit mehr als fraglich. Als die bürgerlichen Prinzipien also nicht halten, was sie versprachen: nämlich ökonomische Sorglosigkeit und Ansehen, beginnt Hedda, sich und ihre Umwelt zu hassen und läuft Amok. Sie verhöhnt skrupellos ihren Ehemann, hintergeht ihn mit dem Hausfreund Brack, zerstört aus Eifersucht die Verbindung zwischen L¸vborg und Frau Elvsted, vernichtet L¸vborgs zukunftsweisendes Werk, treibt ihn zurück in die Sucht und schließlich in einen Selbstmord „in Schönheit“. Erbarmungslos attackiert sie die erdrückende Mittelmäßigkeit um sie herum. Manipulation und Lüge sind die Mittel, mit denen sie virtuos innerhalb nur eines Tages und einer Nacht diese von Aufstiegsdenken und Abstiegsangst dominierte Welt zum Einsturz bringt. In seinem 1891 am Hoftheater in München uraufgeführten Stück unternimmt Ibsen einen Angriff auf das Bürgertum. Als zusammengehörige Klasse mit gemeinsamen Werten ist das Bürgertum heute schwer auszumachen, aber die bürgerlichen Sehnsüchte und Ängste, die seit dem 19. Jahrhundert Biographien kontrolliert, reguliert und deformiert haben, sind heute in allen Schichten der Gesellschaft vorhanden. Ostermeier leuchtet mit Spiegel- und Videoeffekten menschliches Sein im glatten Design aus. Das Bühnenbild von Jan Pappelbaum suggeriert vordergründig geordnete Verhältnisse, doch dahinter: nichts als Verlorenheit und durchgestylte Langeweile. In der Fernsehadaption hat Hannes Rossacher gemeinsam mit Thomas Ostermeier aus dem aufgenommenen Material eine Fassung erarbeitet, die über die Wirkung der Vorstellung hinausgeht. Das Geschehen wird in eine Filmdramaturgie überführt und erhält durch den sich zum Ende hin steigernden Einsatz der Kameras über Spiegelungen zusätzliche erzählerische Kraft und Intensität. Heddas Welt “verrutscht“ mehr und mehr, katapultiert sich aus der Achse des beschaulichen Heims in eine kaleidoskopisch zersplitterte Scheinwelt. Hedda kann ihr selbstgebautes Gefängnis nicht sprengen, ohne sich selbst zu zerstören: Wenn sie sich am Ende erschießt, ohne dass irgendjemand in ihrem Umfeld Notiz davon nimmt, ist dies eine doppelte Detonation mit kräftigem Nachhall. Anknüpfend an Ostermeiers „Nora“-Erfolg markiert die Inszenierung einen Höhepunkt zeitgenössischer Ibsen-Interpretation, genau 100 Jahre nach dessen Tod. „Hedda Gabler“ wurde zum Theatertreffen Berlin 2006 eingeladen.
Regie
Darsteller
Lars Eidinger, Katharina Schüttler, Lore Stefanek, Kay Bartholomäus Schulze, Annedore Bauer, Jörg Hartmann
Standorte
MCB
Aufnahmedatum
Freitag, 31. Dezember 2004
Orte
Stadt
Berlin
Land
DE
Kamera
n.n.
Länge
120 min